Schweizerische Depeschenagentur AG (SDA)
SDA - Basisdienst Deutsch
14. April 2005
Massaker an den Armeniern
Alte Geister spuken: Tuerken fuehlen sich an koloniale Zeiten
erinnert Extra
AUTOR: TL; KP
Bern; Istanbul
Die Armenierfrage erhitzt seit Jahrzehnten die Gemueter in der
Tuerkei. Der Historiker erklaert sich dies damit, dass viele Tuerken
sich von christlichen Exil-Armeniern undankbar behandelt und vom
Westen an die Kolonialzeit erinnert fuehlen.
Armenische Aufstaendische haben waehrend des Ersten Weltkriegs mit
dem verfeindeten Zarenreich paktiert und Massaker an den muslimischen
Tuerken veruebt.
Um das tuerkische Kernland zu schuetzen und zu verteidigen, sah sich
die von Jungtuerken dominierte Armee gezwungen einzuschreiten und
letztlich "die Verraeter" zu deportieren - auch wenn es
Hunderttausende betraf. So laute die offizielle tuerkische Deutung
der Geschichte, sagte der Historiker am Deutschen Orient-Institut in
Istanbul, Christoph Herzog.
Diese Version werde auch von den meisten Tuerken geteilt, wie sich im
Gespraech auf der Strasse schnell zeige. Von gezielter Eliminierung
der Armenier spraechen tuerkische Historiker ausdruecklich nicht,
sagte er im Gespraech mit der Nachrichtenagentur sda.
Tatsaechlich sei dafuer auch die Quellenlage nicht eindeutig, zumal
tuerkische Archive gezielt zerstoert wurden und andere bis heute
nicht zugaenglich seien, sagte der Osmanologe weiter.
Voelkermord an den Armeniern in den Jahren 1915/16 - bereits als
Frage formuliert - verletze den Nationalstolz. Schliesslich haetten
sich die Tuerken historisch auch als Schutzmacht fuer die
christlichen Armenier gegenueber Byzanz verstanden. Doch dafuer
haetten sich diese in den Augen der Tuerken spaeter als undankbar
erwiesen.
Moralischer Zeigefinger
Dass der Westen nun gleichsam mit dem moralischen Zeigefinger
auftrete, werde von vielen Tuerken nicht goutiert. Die Geste erinnere
fatal an Zeiten, als sich Frankreich, Grossbritannien - zuletzt auch
das Deutsche Reich - massiv in die Belange des am Ende des 19.
Jahrhunderts bankrotte Osmanische Reich einmischten. Zudem wurde es
nach dem Ersten Weltkrieg von Paris und London als Kriegsbeute
aufgeteilt.
Herzog weist darauf hin, dass auch Exil-Armenier moeglicherweise
Opfer-Zahlen manipulieren. Ankara fuerchte sich wohl auch vor
Schadenersatzforderungen.
SDA - Basisdienst Deutsch
14. April 2005
Massaker an den Armeniern
Alte Geister spuken: Tuerken fuehlen sich an koloniale Zeiten
erinnert Extra
AUTOR: TL; KP
Bern; Istanbul
Die Armenierfrage erhitzt seit Jahrzehnten die Gemueter in der
Tuerkei. Der Historiker erklaert sich dies damit, dass viele Tuerken
sich von christlichen Exil-Armeniern undankbar behandelt und vom
Westen an die Kolonialzeit erinnert fuehlen.
Armenische Aufstaendische haben waehrend des Ersten Weltkriegs mit
dem verfeindeten Zarenreich paktiert und Massaker an den muslimischen
Tuerken veruebt.
Um das tuerkische Kernland zu schuetzen und zu verteidigen, sah sich
die von Jungtuerken dominierte Armee gezwungen einzuschreiten und
letztlich "die Verraeter" zu deportieren - auch wenn es
Hunderttausende betraf. So laute die offizielle tuerkische Deutung
der Geschichte, sagte der Historiker am Deutschen Orient-Institut in
Istanbul, Christoph Herzog.
Diese Version werde auch von den meisten Tuerken geteilt, wie sich im
Gespraech auf der Strasse schnell zeige. Von gezielter Eliminierung
der Armenier spraechen tuerkische Historiker ausdruecklich nicht,
sagte er im Gespraech mit der Nachrichtenagentur sda.
Tatsaechlich sei dafuer auch die Quellenlage nicht eindeutig, zumal
tuerkische Archive gezielt zerstoert wurden und andere bis heute
nicht zugaenglich seien, sagte der Osmanologe weiter.
Voelkermord an den Armeniern in den Jahren 1915/16 - bereits als
Frage formuliert - verletze den Nationalstolz. Schliesslich haetten
sich die Tuerken historisch auch als Schutzmacht fuer die
christlichen Armenier gegenueber Byzanz verstanden. Doch dafuer
haetten sich diese in den Augen der Tuerken spaeter als undankbar
erwiesen.
Moralischer Zeigefinger
Dass der Westen nun gleichsam mit dem moralischen Zeigefinger
auftrete, werde von vielen Tuerken nicht goutiert. Die Geste erinnere
fatal an Zeiten, als sich Frankreich, Grossbritannien - zuletzt auch
das Deutsche Reich - massiv in die Belange des am Ende des 19.
Jahrhunderts bankrotte Osmanische Reich einmischten. Zudem wurde es
nach dem Ersten Weltkrieg von Paris und London als Kriegsbeute
aufgeteilt.
Herzog weist darauf hin, dass auch Exil-Armenier moeglicherweise
Opfer-Zahlen manipulieren. Ankara fuerchte sich wohl auch vor
Schadenersatzforderungen.