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Das Chaos beim Zusammenbruch des Osmanischen Reiches hat diearmenisc

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  • Das Chaos beim Zusammenbruch des Osmanischen Reiches hat diearmenisc

    Stuttgarter Zeitung, Deutschland
    19. April 2005


    The chaos after the collapse of the Ottoman Empire made the Armenian
    tragedy possible


    Irgendwann galt das Prinzip: du oder ich;
    Das Chaos beim Zusammenbruch des Osmanischen Reiches hat die
    armenische Tragödie ermöglicht - Die Türkei tut sich schwer damit


    Manchmal ist der Kalender gnadenlos: Während die Türkei um die
    Aufnahme in die EU kämpft, naht ein Gedenktag, der den Türken heftige
    Bauchschmerzen bereitet. Am Sonntag jährt sich der Beginn des
    türkischen Völkermords an den christlichen Armeniern zum 90. Mal.



    Zwischen 1915 und 1918 wurden im damaligen Osmanischen Reich zwischen
    600 000 und 1,5 Millionen Armenier ermordet. Viele Türken gaben den
    Christen Schuld am Siechtum des "kranken Mannes am Bosporus". Schon
    Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu ersten Pogromen. Allein die
    Massaker von 1894 bis 1896 hinterließen zwischen 50 000 und 300 000
    Toten. Als zwischen 1909 und 1912 auch die Balkanvölker auf
    Unabhängigkeit drängten, spitzte sich die Situation zu: Die 1909 an
    die Macht gekommenen Jungtürken zielten auf ein einheitliches Reich,
    wollten Türkisch als Sprache und den Islam als kulturelle und
    religiöse Basis durchsetzen. Raymond Kevorkian von der Universität
    Paris beschrieb die Radikalisierung der Jungtürken nach den
    Balkankriegen und dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches: "Der
    Prozess eines sozialen Darwinismus setzte ein. Für die Türken galt
    gegenüber den Armeniern, der größten nicht türkischen Volksgruppe
    neben Griechen, Juden und arabischen Syrern, das Prinzip: du oder
    ich."

    Der Erste Weltkrieg lieferte die Gelegenheit, dieses Konzept
    durchzusetzen. Nach dem Scheitern der türkischen Offensive gegen
    Russland im Januar 1915 begann am 24. April die systematische
    Verfolgung: Zu tausenden wurde die Elite der Armenier verhaftet und
    hingerichtet. Zehntausende starben auf Todesmärschen in der
    mesopotamischen Wüste. Der Widerstand einer Gruppe ging in die
    Literaturgeschichte ein: In seinem Roman "Die vierzig Tage des Musa
    Dagh" schilderte der Schriftsteller Franz Werfel, wie sich mehrere
    tausend Armenier am 1700 Meter hohen Moses-Berg verschanzten und in
    letzter Minute von einem französischen und einem britischen
    Kriegsschiff gerettet wurden.

    Der Genozid erinnert stark an die Judenverfolgungen unter den Nazis,
    vom Raub des Eigentums über Vertreibung bis zum Massenmord. Doch
    Kevorkian mahnte: "Ein Vergleich wäre anachronistisch. Bei den Türken
    gab es keinen biologischen Rassismus, wie bei den Nazis." Tausende
    türkische Mörder hätten "junge, schöne, gebildete und
    klavierspielende Armenierinnen" ausgewählt, um sie zu heiraten.
    Überliefert sei die Frage einer Armenierin: "Warum willst du mich
    heiraten, während du meine Eltern ermordest?" Der türkische Offizier
    antwortete: "Um eine moderne türkische Familie zu gründen." Die
    meisten "Bräute" hätten Selbstmord verübt.

    Die Gewalttaten hatten Rechtsgeschichte zur Folge: Nach dem Ende des
    Ersten Weltkriegs leiteten die westlichen Siegerstaaten erstmals
    Prozesse ein, um die Kriegsverbrecher zu bestrafen. Das Istanbuler
    Kriegsgericht konnte beweisen, dass die Verbrechen zentral
    vorbereitet wurden. Es verurteilte 17 Angeklagte zum Tode, konnte
    aber nur drei Hinrichtungen vollziehen. Die Haupttäter flohen, wurden
    aber später zum Teil von armenischen Attentätern ermordet. Obwohl
    auch Staatsgründer Atatürk 1923 die Morde als Schandtat verurteilte:
    Noch heute reagiert die Türkei höchst allergisch auf den Vorwurf des
    Völkermordes. Es habe sich um Folgen von Bürgerkriegswirren und
    Hungersnot sowie um legitime Notwehr im Krieg gegen Russen und
    Westmächte gehandelt. Zudem, so der Leiter der türkischen
    Staatsarchive, Yusuf Sarinay, seien von 1910 bis 1922 in Anatolien
    523 000 Türken von "armenischen Banden" umgebracht worden. Immerhin
    hat das türkische Parlament am 13. April über das Verhältnis zu
    Armenien diskutiert. Premier Recep Tayyip Erdogan schlug dem Nachbarn
    die Gründung einer gemeinsamen Historikerkommission vor - was
    allerdings eine vielfach geforderte Entschuldigung auf die lange Bank
    schiebt.

    Beispielhaft zeigt sich hier der türkische Identitätskonflikt. Mehr
    als 80 Prozent der Türken meinen, man solle lieber auf den
    EU-Beitritt verzichten, wenn damit das Ansinnen verbunden sei, den
    offiziell geleugneten Völkermord an den Armeniern anzuerkennen. Das
    Thema bleibt in der türkischen Gesellschaft weitgehend tabu.
    usa/höh/kna

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    From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress
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