Berliner Morgenpost, Deutschland
24 April 2005
Armenier gedenken ihrer Opfer.
Berlin begeht 90. Jahrestag des türkischen Massakers - Bischof Huber
bekennt deutsche Mitschuld
(Bishop Huber admits German partial responsibility)
Von Regina Köhler
Im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses hat gestern eine
Gedenkveranstaltung für die Opfer des Genozids an den Armeniern
stattgefunden. Die Armenische Gemeinde und die christliche Armenische
Kirche gedachten des 90. Jahrestages des türkischen Massakers an bis
zu 1,5 Millionen Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten
Weltkrieges. Als Redner wurde Parlamentspräsident Walter Momper (SPD)
erwartet.
Vorab hatte die Türkische Gemeinde alle Türken zum Protest gegen die
Veranstaltung aufgerufen. Acht große türkische Dachverbände Berlins
hatten zudem alle in Deutschland lebenden Türken aufgefordert, per
Fax oder E-Mail dagegen zu protestieren. Zum einen sei das Datum eine
Provokation, hieß es - die Türken feiern seit Jahren am 23. April die
Parlamentsgründung durch Atatürk mit einem internationalen Kinderfest
im Volkspark Schöneberg und seit jüngster Zeit auch am Brandenburger
Tor -, zum anderen sei umstritten, ob die Verbrechen der Türken im
Osmanischen Reich als Völkermord zu bezeichnen sind. Während die
meisten türkischstämmigen Politiker die Bezeichnung ablehnen, haben
deutsche Historiker wie der Berliner Holocaust-Forscher Wolfgang
Benz, den Begriff Völkermord in diesem Zusammenhang stets klar
bejaht.
Vor der Gedenkveranstaltung am frühen Abend im Abgeordnetenhaus hatte
die Armenische Kirche mit einem Gottesdienst im Berliner Dom der
armenischen Opfer von 1915/16 gedacht. An der Seelenmesse nahm auch
der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der
Berliner Bischof Wolfgang Huber, teil. Huber appellierte an die
Türkei, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die
Deutschen wüßten aus eigener Erfahrung, wie wichtig die Aufarbeitung
der Vergangenheit sei, sagte der Bischof. Er forderte Armenier und
Türken auf, sich für die Versöhnung untereinander einzusetzen.
Zugleich bat der Ratsvorsitzende angesichts der deutschen
Mitwisserschaft das armenische Volk um Verzeihung. Das mit dem
Osmanischen Reich im Ersten Weltkrieg verbündete Deutschland habe von
den Ereignissen gewußt, aber nicht eingegriffen. Bundesregierung und
Bundestag sollten sich zur deutschen Mitschuld bekennen, forderte
Huber. Außerdem appellierte er, die Geschichte der Armenier auch in
deutschen Schulbüchern zu behandeln.
Die zentrale Gedenkfeier der Armenier findet heute in der Paulskirche
in Frankfurt am Main statt. Geladen sind Vertreter aus Politik,
Kultur und Wissenschaft. Die armenische Botschafterin Karine Kazinian
nimmt ebenso teil wie der Vorsitzende des Zentralrats der Armenier,
Schawarsch Owassapian. Das Grußwort soll Regierungspräsident Gerold
Dieke sprechen. Der Publizist Ralph Giordano wird einen Vortrag
halten.
24 April 2005
Armenier gedenken ihrer Opfer.
Berlin begeht 90. Jahrestag des türkischen Massakers - Bischof Huber
bekennt deutsche Mitschuld
(Bishop Huber admits German partial responsibility)
Von Regina Köhler
Im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses hat gestern eine
Gedenkveranstaltung für die Opfer des Genozids an den Armeniern
stattgefunden. Die Armenische Gemeinde und die christliche Armenische
Kirche gedachten des 90. Jahrestages des türkischen Massakers an bis
zu 1,5 Millionen Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten
Weltkrieges. Als Redner wurde Parlamentspräsident Walter Momper (SPD)
erwartet.
Vorab hatte die Türkische Gemeinde alle Türken zum Protest gegen die
Veranstaltung aufgerufen. Acht große türkische Dachverbände Berlins
hatten zudem alle in Deutschland lebenden Türken aufgefordert, per
Fax oder E-Mail dagegen zu protestieren. Zum einen sei das Datum eine
Provokation, hieß es - die Türken feiern seit Jahren am 23. April die
Parlamentsgründung durch Atatürk mit einem internationalen Kinderfest
im Volkspark Schöneberg und seit jüngster Zeit auch am Brandenburger
Tor -, zum anderen sei umstritten, ob die Verbrechen der Türken im
Osmanischen Reich als Völkermord zu bezeichnen sind. Während die
meisten türkischstämmigen Politiker die Bezeichnung ablehnen, haben
deutsche Historiker wie der Berliner Holocaust-Forscher Wolfgang
Benz, den Begriff Völkermord in diesem Zusammenhang stets klar
bejaht.
Vor der Gedenkveranstaltung am frühen Abend im Abgeordnetenhaus hatte
die Armenische Kirche mit einem Gottesdienst im Berliner Dom der
armenischen Opfer von 1915/16 gedacht. An der Seelenmesse nahm auch
der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der
Berliner Bischof Wolfgang Huber, teil. Huber appellierte an die
Türkei, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die
Deutschen wüßten aus eigener Erfahrung, wie wichtig die Aufarbeitung
der Vergangenheit sei, sagte der Bischof. Er forderte Armenier und
Türken auf, sich für die Versöhnung untereinander einzusetzen.
Zugleich bat der Ratsvorsitzende angesichts der deutschen
Mitwisserschaft das armenische Volk um Verzeihung. Das mit dem
Osmanischen Reich im Ersten Weltkrieg verbündete Deutschland habe von
den Ereignissen gewußt, aber nicht eingegriffen. Bundesregierung und
Bundestag sollten sich zur deutschen Mitschuld bekennen, forderte
Huber. Außerdem appellierte er, die Geschichte der Armenier auch in
deutschen Schulbüchern zu behandeln.
Die zentrale Gedenkfeier der Armenier findet heute in der Paulskirche
in Frankfurt am Main statt. Geladen sind Vertreter aus Politik,
Kultur und Wissenschaft. Die armenische Botschafterin Karine Kazinian
nimmt ebenso teil wie der Vorsitzende des Zentralrats der Armenier,
Schawarsch Owassapian. Das Grußwort soll Regierungspräsident Gerold
Dieke sprechen. Der Publizist Ralph Giordano wird einen Vortrag
halten.