Die Welt, Deutschland
24 April 2005
Armenien gedenkt des Völkermordes
(Armenians remember the genocide)
Im Kaukasusstaat Armenien haben mehr als eine Million Menschen - ein
Drittel der Bevölkerung - des Massenmords und der Vertreibung der
Armenier durch die Türken vor 90 Jahren gedacht
Foto: An der Gedenkstätte Zizernakaberd in Eriwan drängten sich die
Trauernden
Eriwan/Berlin - In der Hauptstadt Eriwan legten die Trauernden am
Sonntag Blumen an der Gedenkstätte Zizernakaberd (Schwalbennest)
nieder, die den 1,5 Millionen Opfern des Völkermords im Osmanischen
Reich gewidmet ist. Sie starben bei den Deportationen oder wurden
getötet. Heute leben noch etwa 80.000 Armenier in der Türkei. Der
armenische Präsident Robert Kotscharjan verlangte eine strikte
Verurteilung des Massakers durch die internationale Gemeinschaft.
Symbolisch sollte in Eriwan für jedes Opfer ein Trauergast aus
Armenien oder dem Ausland zu dem Denkmal kommen. Nach Berichten von
Augenzeugen türmten sich die Blumen meterhoch. Der Mord an den
Armeniern war „eine der schlimmsten Katastrophen, die die Welt je
erlebt hat`, sagte der Philosoph Alexander Manasjan. „Der heutige Tag
ist ein Zeichen, das sich so etwas nie wiederholen darf.`
Die evangelische Kirche bat das armenische Volk für die deutsche
Beteiligung um Verzeihung. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, rief die Bundesregierung
dazu auf, „sich zur deutschen Mitschuld zu bekennen, den deutschen
Anteil an den Ereignissen aufzuarbeiten und im eigenen politischen
Handeln daraus Konsequenzen zu ziehen`.
„Ich sehe mit Beschämung die Verstrickung unseres Volkes in diese
Vorgänge`, sagte Bischof Huber am Samstag bei einem ökumenischen
Gottesdienst im Berliner Dom. „Ich sehe zugleich den Genozid am
armenischen Volk vor dem Hintergrund unserer eigenen deutschen
Vergangenheit, die in den schrecklichsten Völkermord der Geschichte
mündete, und vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir mit der
Aufarbeitung dieser Ereignisse gemacht haben.`
Im Osmanischen Reich begann vor 90 Jahren, am 24. April 1915, die
massenhafte Vertreibung und Zwangsumsiedlung, die nach Ansicht vieler
Historiker auf Auslöschung der christlichen Armenier abzielte. Die
Türkei bestreitet den planmäßigen Mord bis heute und schätzt die Zahl
der Opfer auf nur 200.000.
Das Auswärtige Amt wollte am Sonntag zu dem Aufruf Hubers vorerst
keine Stellung nehmen. Das Deutsche Reich war in der damaligen Zeit
Verbündeter des Osmanischen Reiches und schwieg zu dem brutalen
Vorgehen. Der Bundestag hatte in der vergangenen Woche über die
Parteigrenzen hinweg an die Türkei appelliert, die Massaker an den
Armeniern als Teil ihrer Geschichte zu akzeptieren.
Die UN-Menschenrechtskommission hat die Greueltaten an den Armeniern
als Völkermord gewertet. Mindestens 15 Staaten schlossen sich diesem
Urteil an, darunter Frankreich. Deutschland vertritt bislang eine
zurückhaltendere Linie.
„Die Armenier hassen nicht`, sagte Präsident Kotscharjan. „Armenien
ist auch heute bereit, normale Beziehungen zur Türkei zu
unterhalten.` Bei den Kundgebungen wurden erstmals keine türkischen
Flaggen verbrannt. Die Türkei, die der Europäischen Union beitreten
möchte, und Armenien unterhalten keine diplomatischen Beziehungen.
24 April 2005
Armenien gedenkt des Völkermordes
(Armenians remember the genocide)
Im Kaukasusstaat Armenien haben mehr als eine Million Menschen - ein
Drittel der Bevölkerung - des Massenmords und der Vertreibung der
Armenier durch die Türken vor 90 Jahren gedacht
Foto: An der Gedenkstätte Zizernakaberd in Eriwan drängten sich die
Trauernden
Eriwan/Berlin - In der Hauptstadt Eriwan legten die Trauernden am
Sonntag Blumen an der Gedenkstätte Zizernakaberd (Schwalbennest)
nieder, die den 1,5 Millionen Opfern des Völkermords im Osmanischen
Reich gewidmet ist. Sie starben bei den Deportationen oder wurden
getötet. Heute leben noch etwa 80.000 Armenier in der Türkei. Der
armenische Präsident Robert Kotscharjan verlangte eine strikte
Verurteilung des Massakers durch die internationale Gemeinschaft.
Symbolisch sollte in Eriwan für jedes Opfer ein Trauergast aus
Armenien oder dem Ausland zu dem Denkmal kommen. Nach Berichten von
Augenzeugen türmten sich die Blumen meterhoch. Der Mord an den
Armeniern war „eine der schlimmsten Katastrophen, die die Welt je
erlebt hat`, sagte der Philosoph Alexander Manasjan. „Der heutige Tag
ist ein Zeichen, das sich so etwas nie wiederholen darf.`
Die evangelische Kirche bat das armenische Volk für die deutsche
Beteiligung um Verzeihung. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, rief die Bundesregierung
dazu auf, „sich zur deutschen Mitschuld zu bekennen, den deutschen
Anteil an den Ereignissen aufzuarbeiten und im eigenen politischen
Handeln daraus Konsequenzen zu ziehen`.
„Ich sehe mit Beschämung die Verstrickung unseres Volkes in diese
Vorgänge`, sagte Bischof Huber am Samstag bei einem ökumenischen
Gottesdienst im Berliner Dom. „Ich sehe zugleich den Genozid am
armenischen Volk vor dem Hintergrund unserer eigenen deutschen
Vergangenheit, die in den schrecklichsten Völkermord der Geschichte
mündete, und vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir mit der
Aufarbeitung dieser Ereignisse gemacht haben.`
Im Osmanischen Reich begann vor 90 Jahren, am 24. April 1915, die
massenhafte Vertreibung und Zwangsumsiedlung, die nach Ansicht vieler
Historiker auf Auslöschung der christlichen Armenier abzielte. Die
Türkei bestreitet den planmäßigen Mord bis heute und schätzt die Zahl
der Opfer auf nur 200.000.
Das Auswärtige Amt wollte am Sonntag zu dem Aufruf Hubers vorerst
keine Stellung nehmen. Das Deutsche Reich war in der damaligen Zeit
Verbündeter des Osmanischen Reiches und schwieg zu dem brutalen
Vorgehen. Der Bundestag hatte in der vergangenen Woche über die
Parteigrenzen hinweg an die Türkei appelliert, die Massaker an den
Armeniern als Teil ihrer Geschichte zu akzeptieren.
Die UN-Menschenrechtskommission hat die Greueltaten an den Armeniern
als Völkermord gewertet. Mindestens 15 Staaten schlossen sich diesem
Urteil an, darunter Frankreich. Deutschland vertritt bislang eine
zurückhaltendere Linie.
„Die Armenier hassen nicht`, sagte Präsident Kotscharjan. „Armenien
ist auch heute bereit, normale Beziehungen zur Türkei zu
unterhalten.` Bei den Kundgebungen wurden erstmals keine türkischen
Flaggen verbrannt. Die Türkei, die der Europäischen Union beitreten
möchte, und Armenien unterhalten keine diplomatischen Beziehungen.