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Die Terken wollten sie ausrotten

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    Hamburger Abendblatt
    http://www.abendblatt.de/

    Politik
    22.0 4.2005

    Die Türken wollten sie ausrotten
    Völkermord: Auch 90 Jahre nach der planmäßigen Vernichtung der
    Armenier regieren Angst und Vertuschung Ankaras Handeln.

    Von Thomas Frankenfeld und Stefan Fuhr

    Hamburg/Frankfurt a. M. - "Wer redet denn heute noch von der
    Vernichtung der Armenier?" Der kleine schnauzbärtige Herr, der diese
    Frage am 22. August 1939 vor hohen Wehrmachtsoffizieren und
    Kommandeuren von SS-Sondereinheiten spöttisch in den Raum warf, war
    seiner Sache sicher. Er war davon überzeugt, daß man über den
    Völkermord an den Juden in späteren Jahrzehnten kaum reden werde, da
    man auch die Vernichtung der Armenier längst vergessen habe.

    Adolf Hitler hat sich gründlich geirrt; allerdings widmet die
    Weltöffentlichkeit dem Leiden des armenischen Volkes zu Beginn des 20.
    Jahrhunderts in der Tat noch immer beschämend wenig Aufmerksamkeit. Am
    Sonntag jährt sich der Beginn des Genozids zum 90. Mal.

    Seriöse Schätzungen sprechen von bis zu 1,5 Millionen Todesopfern
    durch türkische Todesmärsche und Massaker ab 1915. Daß diese Greueltat
    nicht im öffentlichen Bewußtsein steht wie die Shoa oder der
    kambodschanische Holocaust, liegt vor allem daran, daß die Türkei seit
    Jahrzehnten mit allen Mitteln das Ausmaß der Massaker und die Rolle
    der türkischen Armee dabei zu verschleiern versucht. Wer in der Türkei
    offen von einem Völkermord spricht, muß mit strafrechtlicher
    Verfolgung rechnen. Der Hamburger Schriftsteller Ralph Giordano
    spricht von einer "Industrie der Leugnung".

    Der türkische Nationalstolz fürchtet ein peinliches
    Schuldeingeständnis, die Regierung in Ankara armenische
    Schadenersatzansprüche. Für den Türkei-Experten Jan Cremer vom
    Deutschen Orient-Institut in Hamburg ist das "Verhältnis türkischer
    Offiziere und auch vieler Bürger zu ihrer Nation gemessen an
    westeuropäischen Verhältnissen neurotisch." Dabei hatte Großwesir
    Damad Ferid Pascha am 11. Juni 1919 die Verbrechen der Armee
    öffentlich eingestanden. Und im Erlaß des damaligen Innenministers
    Talaat Pascha hieß es, die Regierung des Osmanischen Reiches habe
    beschlossen, "alle Armenier, die in der Türkei wohnen, gänzlich
    auszurotten."

    Das mürbe Osmanische Reich fürchtete damals den sich längst
    abzeichnenden Zerfall und strebte einen ethnisch reinen Nationalstaat
    an. Zwischen 1894 und 1896 hatte der türkische Sultan Abdülhamid
    bereits bis zu 200 000 Armenier ermorden lassen. Und 1909 starben bei
    Pogromen im Raum Adana noch einmal mehr als 20 000 Armenier.

    Doch das Schlimmste stand den Armeniern noch bevor. Im Sommer 1915
    schreibt der deutsche Botschafter in Konstantinopel, Hans Freiherr von
    Wangenheim, an Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg: "Die
    Austreibung der armenischen Bevölkerung aus ihren Wohnsitzen in den
    ostanatolischen Provinzen (...) wird schonungslos durchgeführt." Wenig
    später formuliert der Diplomat: "Die Art, wie die Umsiedlung
    durchgeführt wird, zeigt, daß die Regierung tatsächlich den Zweck
    verfolgt, die armenische Rasse im türkischen Reiche zu vernichten."

    Die deutschen Konsulate im Osmanischen Reich telegrafierten ständig
    grausame Berichte über "Metzeleien", "Massenabschlachtungen" und
    Hunger-Märsche an das Auswärtige Amt.

    Am 24. April 1915 hatte der eigentliche Genozid mit der Vernichtung
    der gesamten armenischen Führungsschicht in Konstantinopel - rund 2350
    Männer - begonnen. In den folgenden Monaten trieben türkische
    Gendarmen und Soldaten eigens dafür aufgestellter Sondereinheiten fast
    alle Armenier des Reiches in Sammellagern zusammen.

    Wer nicht gleich einem der vielen Massaker zum Opfer fiel, wurde auf
    Todesmärschen Richtung Aleppo nach Süden geschickt, direkt in die
    leere Wüste. Es gab den ausdrücklichen Befehl, möglichst wenige
    Überlebende ankommen zu lassen. Der Name des Wüsten-Todeslagers Deir
    es Zor hat für die Armenier eine ähnliche Bedeutung wie Auschwitz für
    die Juden.

    Immer wieder überfielen halbreguläre Milizen - rekrutiert aus
    amnestierten Schwerverbrechern - die Vertriebenen, raubten ihnen ihre
    letzte Habe, um sie anschließend zu ermorden. Bis zu eine Million
    Menschen starben nach Schätzungen allein auf den Todesmärschen. "Die
    armenische Frage ist erledigt", erklärte Innenminister Pascha kalt
    gegenüber deutschen Diplomaten.

    Talaat gehörte der politischen Bewegung der "Jungtürken" an, die in
    der Revolution 1909 gegen das alte Regime an die Macht gekommen war -
    neben Kriegsminister Enver Pascha gilt er als Hauptverantwortlicher
    des Genozids. Die "Jungtürken" träumten von der Vereinigung aller
    turkstämmigen Völker in einem Großreich "Turan". Einem Reich, in dem
    die Armenier keinen Platz mehr haben sollten. (HA/epd)
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