Der Tagesspiegel, Deutschland
Montag, 25. April 2005
Verräter und Drohanrufe
Wie türkische Blätter über das Gedenken zum Genozid an den Armeniern berichten
Die ganze Woche über berichtete die Hürriyet groß über die
bevorstehende Gedenkveranstaltung am Sonnabend im Abgeordnetenhaus
und Berliner Dom zum 90. Jahrestag der Vertreibung und Ermordung der
Armenier im Osmanischen Reich. Am Sonntag konnte der Leser die
Nachrichten über die Veranstaltungen in Berlin leicht übersehen. „Er
hat sich bei den Armeniern entschuldigt`, schrieb die
Boulevardzeitung in der Überschrift der Meldung auf der ersten Seite
der Europa-Beilage. Gemeint war der Ratsvorsitzende der Evangelischen
Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber. Dieser hatte in seiner
Ansprache im Berliner Dom das armenische Volk wegen der deutschen
Beteiligung am Völkermord um Verzeihung gebeten. „Die armenischen
Veranstalter ließen keine türkischen Journalisten rein`, schrieb die
Milliyet in ihrer Nachricht.
Dagegen berichtete die Hürriyet am Sonntag auf ihrer Titelseite
„exklusiv` über die Vorbereitung zu der Gedenkfeier in Bremen. „Das
passt nicht zu Deinem freundschaftlichen Wesen`, zitierte das Blatt
in der Überschrift des Aufmachers einen „türkischen Freund` von
Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Dazu zeigte die Zeitung ein Foto,
auf dem die beiden Männer gestikulierend miteinander plaudern. Am
gleichen Tag widmete die Stadt Bremen unter der Schirmherrschaft von
Scherf einen bereits bestehenden Gedenkstein zum armenischen Denkmal
um. „Dies ist der Stein des Hasses`, schrieb dazu die Hürriyet zuvor
in ihrem bebilderten Aufmacher auf der Titelseite der Europa-Beilage.
Den kurdischstämmigen Politiker Giyasettin Sayan aus Berlin hat es in
der vergangenen Woche am härtesten getroffen. Weil er befürwortet,
dass die Bundesrepublik Deutschland den Völkermord offiziell
anerkennt, bezeichnete die Hürriyet ihn am Freitag als den „Brutus
unter uns`. „Seitdem werde ich am Telefon anonym als Bastard der
Armenier beschimpft`, sagte der PDS-Abgeordnete des
Abgeordnetenhauses gegenüber dem Tagesspiegel. Brutus war einer der
Mörder des römischen Kaisers Julius Cäsar. Suzan Gülfirat
Montag, 25. April 2005
Verräter und Drohanrufe
Wie türkische Blätter über das Gedenken zum Genozid an den Armeniern berichten
Die ganze Woche über berichtete die Hürriyet groß über die
bevorstehende Gedenkveranstaltung am Sonnabend im Abgeordnetenhaus
und Berliner Dom zum 90. Jahrestag der Vertreibung und Ermordung der
Armenier im Osmanischen Reich. Am Sonntag konnte der Leser die
Nachrichten über die Veranstaltungen in Berlin leicht übersehen. „Er
hat sich bei den Armeniern entschuldigt`, schrieb die
Boulevardzeitung in der Überschrift der Meldung auf der ersten Seite
der Europa-Beilage. Gemeint war der Ratsvorsitzende der Evangelischen
Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber. Dieser hatte in seiner
Ansprache im Berliner Dom das armenische Volk wegen der deutschen
Beteiligung am Völkermord um Verzeihung gebeten. „Die armenischen
Veranstalter ließen keine türkischen Journalisten rein`, schrieb die
Milliyet in ihrer Nachricht.
Dagegen berichtete die Hürriyet am Sonntag auf ihrer Titelseite
„exklusiv` über die Vorbereitung zu der Gedenkfeier in Bremen. „Das
passt nicht zu Deinem freundschaftlichen Wesen`, zitierte das Blatt
in der Überschrift des Aufmachers einen „türkischen Freund` von
Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Dazu zeigte die Zeitung ein Foto,
auf dem die beiden Männer gestikulierend miteinander plaudern. Am
gleichen Tag widmete die Stadt Bremen unter der Schirmherrschaft von
Scherf einen bereits bestehenden Gedenkstein zum armenischen Denkmal
um. „Dies ist der Stein des Hasses`, schrieb dazu die Hürriyet zuvor
in ihrem bebilderten Aufmacher auf der Titelseite der Europa-Beilage.
Den kurdischstämmigen Politiker Giyasettin Sayan aus Berlin hat es in
der vergangenen Woche am härtesten getroffen. Weil er befürwortet,
dass die Bundesrepublik Deutschland den Völkermord offiziell
anerkennt, bezeichnete die Hürriyet ihn am Freitag als den „Brutus
unter uns`. „Seitdem werde ich am Telefon anonym als Bastard der
Armenier beschimpft`, sagte der PDS-Abgeordnete des
Abgeordnetenhauses gegenüber dem Tagesspiegel. Brutus war einer der
Mörder des römischen Kaisers Julius Cäsar. Suzan Gülfirat