Stuttgarter Zeitung, Deutschland
26. April 2005
Nichts als Erinnerung;
"Ararat": ein Spielfilm über den Völkermord an den Armeniern
von Leinkauf, Simone
Der große Genozid des 20. Jahrhunderts: nicht nur in Deutschland wird
da zuerst an die Gräueltaten des Dritten Reiches gedacht, an die
systematische Vernichtung eines ganzen Volkes. Doch auch Hitler hatte
ein Vorbild. Den Kritikern in seinem Stab erklärte der Diktator bei
der Planung der Judenverfolgung, dass sich schließlich auch an den
Völkermord an den Armeniern in den Jahren 1915/1916 keiner mehr
erinnere. Die türkische Regierung leugnet noch heute den geplanten
Mord an den Armeniern, also einem Teil der eigenen Bevölkerung, und
bricht internationale Kontakte ab, wenn andere Länder diesen Genozid
offiziell anerkennen.
Die Leugnung eines Völkermords: Rund eineinhalb Millionen Armenier -
darunter viele Intellektuelle - fanden damals den Tod. Die Nachkommen
der Überlebenden sind inzwischen über die ganze Welt verstreut.
Jeweils am 24. April begehen alle armenischen Gemeinden in der
Diaspora den Gedenktag für die Opfer des Genozids.
Atom Egoyan, 1960 in Kairo als Sohn armenischer Eltern geboren,
widmet seinen Spielfilm "Ararat" der Geschichte dieses Völkermords.
Der im Dreiländereck Türkei, Armenien und Iran gelegene zweigipflige
Berg Ararat wurde für die überlebenden Armenier zum Symbol der
Heimat. In seinem nach diesem Berg benannten Film lässt Egoyan den
18-jährigen Raffi (David Alpay), einen Kanadier armenischer
Abstammung, einem Zöllner am Flughafen die Geschichte seiner Familie
und seines Volkes erzählen. Dabei geht es Egoyan nicht um eine
Dokumentation, in der die Ereignisse chronologisch erzählt werden,
sondern viel eher um die Frage, wie die in der Diaspora lebenden
Armenier mit der Erinnerung an den Völkermord, wie die Kinder mit den
dramatischen Erlebnissen der Eltern umgehen. Raffi ist auf der
Rückreise aus der Türkei, wo er die Orte besuchte, von denen seine
Eltern Jahrzehnte zuvor fliehen mussten. Im Gepäck hat er eine Kamera
und zwei verschlossene Filmrollen.
Parallel erzählt Egoyan die Geschichte von Raffis Mutter Ani (Arsinée
Khanjian), die sich als Kunsthistorikerin vor allem mit dem Leben des
armenischen Künstlers Arshile Gorky beschäftigt. Gorky ist einer der
wenigen Überlebenden des Massakers in der Stadt Van, von dem der
Regisseur Edward Saroyan (Charles Aznavour) in einem Film über den
Völkermord erzählen will.
"Ararat" ist ein kunstvoll verschachteltes Drama mit englischen und
deutschen Untertiteln, das den Zuschauer ein wenig ratlos
zurücklässt. Aufgelöst wird keine der sich dramatisch zuspitzenden
Situationen, und dennoch scheinen alle Protagonisten gereift aus den
Auseinandersetzungen hervorzugehen. Auf den ersten Blick ein Film,
der Geduld und langen Atem erfordert, damit man sich nicht in einen
schnelleren Film zappt, der den heutigen Sehgewohnheiten eher
entspricht. Auf den zweiten Blick ein Film, der im Gedächtnis bleibt
und auf die Schwierigkeiten hinweist, wenn nicht einmal mehr die
Erinnerungen erlaubt sind.
Dienstag 22.55 3Sat
Die Kunsthistoriker Ani (Arsinée Khanjian) muss mit ihrer eigenen
Geschichte kämpfen. Foto ZDF
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26. April 2005
Nichts als Erinnerung;
"Ararat": ein Spielfilm über den Völkermord an den Armeniern
von Leinkauf, Simone
Der große Genozid des 20. Jahrhunderts: nicht nur in Deutschland wird
da zuerst an die Gräueltaten des Dritten Reiches gedacht, an die
systematische Vernichtung eines ganzen Volkes. Doch auch Hitler hatte
ein Vorbild. Den Kritikern in seinem Stab erklärte der Diktator bei
der Planung der Judenverfolgung, dass sich schließlich auch an den
Völkermord an den Armeniern in den Jahren 1915/1916 keiner mehr
erinnere. Die türkische Regierung leugnet noch heute den geplanten
Mord an den Armeniern, also einem Teil der eigenen Bevölkerung, und
bricht internationale Kontakte ab, wenn andere Länder diesen Genozid
offiziell anerkennen.
Die Leugnung eines Völkermords: Rund eineinhalb Millionen Armenier -
darunter viele Intellektuelle - fanden damals den Tod. Die Nachkommen
der Überlebenden sind inzwischen über die ganze Welt verstreut.
Jeweils am 24. April begehen alle armenischen Gemeinden in der
Diaspora den Gedenktag für die Opfer des Genozids.
Atom Egoyan, 1960 in Kairo als Sohn armenischer Eltern geboren,
widmet seinen Spielfilm "Ararat" der Geschichte dieses Völkermords.
Der im Dreiländereck Türkei, Armenien und Iran gelegene zweigipflige
Berg Ararat wurde für die überlebenden Armenier zum Symbol der
Heimat. In seinem nach diesem Berg benannten Film lässt Egoyan den
18-jährigen Raffi (David Alpay), einen Kanadier armenischer
Abstammung, einem Zöllner am Flughafen die Geschichte seiner Familie
und seines Volkes erzählen. Dabei geht es Egoyan nicht um eine
Dokumentation, in der die Ereignisse chronologisch erzählt werden,
sondern viel eher um die Frage, wie die in der Diaspora lebenden
Armenier mit der Erinnerung an den Völkermord, wie die Kinder mit den
dramatischen Erlebnissen der Eltern umgehen. Raffi ist auf der
Rückreise aus der Türkei, wo er die Orte besuchte, von denen seine
Eltern Jahrzehnte zuvor fliehen mussten. Im Gepäck hat er eine Kamera
und zwei verschlossene Filmrollen.
Parallel erzählt Egoyan die Geschichte von Raffis Mutter Ani (Arsinée
Khanjian), die sich als Kunsthistorikerin vor allem mit dem Leben des
armenischen Künstlers Arshile Gorky beschäftigt. Gorky ist einer der
wenigen Überlebenden des Massakers in der Stadt Van, von dem der
Regisseur Edward Saroyan (Charles Aznavour) in einem Film über den
Völkermord erzählen will.
"Ararat" ist ein kunstvoll verschachteltes Drama mit englischen und
deutschen Untertiteln, das den Zuschauer ein wenig ratlos
zurücklässt. Aufgelöst wird keine der sich dramatisch zuspitzenden
Situationen, und dennoch scheinen alle Protagonisten gereift aus den
Auseinandersetzungen hervorzugehen. Auf den ersten Blick ein Film,
der Geduld und langen Atem erfordert, damit man sich nicht in einen
schnelleren Film zappt, der den heutigen Sehgewohnheiten eher
entspricht. Auf den zweiten Blick ein Film, der im Gedächtnis bleibt
und auf die Schwierigkeiten hinweist, wenn nicht einmal mehr die
Erinnerungen erlaubt sind.
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Die Kunsthistoriker Ani (Arsinée Khanjian) muss mit ihrer eigenen
Geschichte kämpfen. Foto ZDF
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