http://www.taz.de/pt/2005/04/28/a0121.nf/text.ges, 1
Die Tageszeitung 28.4.2005
Türkei und Armenien kommen sich näher
Armeniens Präsident spricht sich für Historikerkommission aus. Aber
erst nach Aufnahme diplomatischer BeziehungenISTANBUL taz In die seit
1994 eingefrorenen türkisch-armenischen Beziehungen kommt neue
Bewegung. Mit der Forderung nach Wiederaufnahme der diplomatischen
Beziehungen antwortete Armeniens Präsident Robert Kotscharijan in
einem am Dienstag veröffentlichten Brief auf eine Aufforderung des
türkischen Premiers Tayyip Erdogan, eine gemeinsame zwischenstaatliche
Kommission zur Untersuchung der Massaker an der armenischen
Bevölkerung des Osmanischen Reiches bilden. "Lassen sie uns normale
Beziehungen aufnehmen, dann können wir uns auch gemeinsam der
Untersuchung der Vergangenheit widmen", schrieb Kotscharijan. Ohne an
die Gegenwart und die Zukunft zu denken, könne man sich auch nicht
gemeinsam der Vergangenheit zuwenden.
Erdogan hatte seinen Vorschlag bei einer Debatte über die Massaker an
den Armeniern des Osmanischen Reiches gemacht, während der Politiker
aller türkischen Parteien erneut bestritten, dass die damaligen
Ereignisse den Charakter eines Völkermordes hatten. "Forschen wir in
den Archiven beider Seiten gemeinsam nach der Wahrheit", hatte Erdogan
Armeniens Regierung aufgefordert.
Armenien hat ein solches Ansinnen bislang immer mit dem Argument
abgelehnt, die Geschichte sei erforscht und der Völkermord historisch
nicht zu bestreiten. Gespräche darüber setzten deshalb zunächst ein
Schuldeingeständnis der türkischen Seite voraus. Darauf hat
Kotscharijan jetzt verzichtet.
Die Türkei hat Armenien nach seiner Unabhängigkeitserklärung 1991 zwar
schnell anerkannt, die Grenze aber geschlossen, als Armenien in den
Bürgerkrieg in Berg-Karabach eingriff. Bislang hat die Türkei für die
Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Öffnung der Grenze zur
Bedingung gemacht, dass die armenischen Truppen die besetzten
aserischen Gebiete räumen und den Status quo ante in Berg-Karabach,
das völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, wiederherstellen.
In einer ersten Reaktion lehnte Erdogan gestern die Aufnahme von
diplomatischen Beziehungen ab. Erst müsse die Vergangenheit geklärt
werden sagte er vor Journalisten.
Nach Informationen der türkischen Presse finden bereits vertrauliche
Gespräche zwischen den Außenministerien statt, wie Fortschritte in den
Beziehungen erzielt werden können. Als Zeichen guten Willens hat die
Türkei unlängst eine zweite direkte Flugverbindung nach Eriwan eröffnet
und akzeptiert 40.000 Armenier, die in der Türkei arbeiten. Gegenüber
ausländischen Pressevertretern wollte Außenminister Gül seine
vertraulichen Gespräche mit seinem armenischen Partner Oskanijan nicht
kommentieren. Beide Seiten seien aber an einer Normalisierung
interessiert. JÜRGEN GOTTSCHLICH
meinung und diskussion SEITE 11
taz Nr. 7651 vom 28.4.2005, Seite 10, 93 Zeilen (TAZ-Bericht), JÜRGEN
GOTTSCHLICH
Die Tageszeitung 28.4.2005
Türkei und Armenien kommen sich näher
Armeniens Präsident spricht sich für Historikerkommission aus. Aber
erst nach Aufnahme diplomatischer BeziehungenISTANBUL taz In die seit
1994 eingefrorenen türkisch-armenischen Beziehungen kommt neue
Bewegung. Mit der Forderung nach Wiederaufnahme der diplomatischen
Beziehungen antwortete Armeniens Präsident Robert Kotscharijan in
einem am Dienstag veröffentlichten Brief auf eine Aufforderung des
türkischen Premiers Tayyip Erdogan, eine gemeinsame zwischenstaatliche
Kommission zur Untersuchung der Massaker an der armenischen
Bevölkerung des Osmanischen Reiches bilden. "Lassen sie uns normale
Beziehungen aufnehmen, dann können wir uns auch gemeinsam der
Untersuchung der Vergangenheit widmen", schrieb Kotscharijan. Ohne an
die Gegenwart und die Zukunft zu denken, könne man sich auch nicht
gemeinsam der Vergangenheit zuwenden.
Erdogan hatte seinen Vorschlag bei einer Debatte über die Massaker an
den Armeniern des Osmanischen Reiches gemacht, während der Politiker
aller türkischen Parteien erneut bestritten, dass die damaligen
Ereignisse den Charakter eines Völkermordes hatten. "Forschen wir in
den Archiven beider Seiten gemeinsam nach der Wahrheit", hatte Erdogan
Armeniens Regierung aufgefordert.
Armenien hat ein solches Ansinnen bislang immer mit dem Argument
abgelehnt, die Geschichte sei erforscht und der Völkermord historisch
nicht zu bestreiten. Gespräche darüber setzten deshalb zunächst ein
Schuldeingeständnis der türkischen Seite voraus. Darauf hat
Kotscharijan jetzt verzichtet.
Die Türkei hat Armenien nach seiner Unabhängigkeitserklärung 1991 zwar
schnell anerkannt, die Grenze aber geschlossen, als Armenien in den
Bürgerkrieg in Berg-Karabach eingriff. Bislang hat die Türkei für die
Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Öffnung der Grenze zur
Bedingung gemacht, dass die armenischen Truppen die besetzten
aserischen Gebiete räumen und den Status quo ante in Berg-Karabach,
das völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, wiederherstellen.
In einer ersten Reaktion lehnte Erdogan gestern die Aufnahme von
diplomatischen Beziehungen ab. Erst müsse die Vergangenheit geklärt
werden sagte er vor Journalisten.
Nach Informationen der türkischen Presse finden bereits vertrauliche
Gespräche zwischen den Außenministerien statt, wie Fortschritte in den
Beziehungen erzielt werden können. Als Zeichen guten Willens hat die
Türkei unlängst eine zweite direkte Flugverbindung nach Eriwan eröffnet
und akzeptiert 40.000 Armenier, die in der Türkei arbeiten. Gegenüber
ausländischen Pressevertretern wollte Außenminister Gül seine
vertraulichen Gespräche mit seinem armenischen Partner Oskanijan nicht
kommentieren. Beide Seiten seien aber an einer Normalisierung
interessiert. JÜRGEN GOTTSCHLICH
meinung und diskussion SEITE 11
taz Nr. 7651 vom 28.4.2005, Seite 10, 93 Zeilen (TAZ-Bericht), JÜRGEN
GOTTSCHLICH