Taz, die tageszeitung
11. August 2005
Bremen Choir workshop for Armenian Genocide to include Armenians &
Turks: But search for Turkish singers becomes difficult
"Es ist richtig, den ersten Schritt zu tun";
Die Bremer Chorwerkstatt will mit dem Armenischen Oratorium an den
Völkermord von 1915 erinnern: gemeinsam mit Türken und Armeniern.
Doch die Suche nach türkischen SängerInnen gestaltet sich schwierig -
und ist ein Lernprozess für den Chor
von Friederike Gräff
Die Bremer Chorwerkstatt will mit dem Armenischen Oratorium an den
Völkermord von 1915 erinnern: gemeinsam mit Türken und Armeniern.
Doch die Suche nach türkischen SängerInnen gestaltet sich schwierig -
und ist ein Lernprozess für den Chor
Bremen - "Ein bisschen enttäuscht" sei man, sagt Kurt Sommer vom
Vorstand der Bremer Chorwerkstatt. "Aber nicht entmutigt", setzt er
noch dazu. Also probt der Chor weiter für den November, wenn er das
"Armenische Oratorium" zum Gedenken an den Völkermord von 1915
aufführen will. Nur eben ohne türkische Sängerinnen und Sänger, wie
eigentlich gedacht. Denn der einzige türkische Interessent hat sich
inzwischen verabschiedet. "Er sagte, er hätte keine Zeit", erklärt
Sommer, aber es klingt nicht so, als glaube wirklich daran.
Die Verbindung von politischer Einmischung und Musik ist Programm bei
der Bremer Chorwerkstatt. Seit 1981 widmen sie sich dem
"gesellschaftlich orientieren Liedgut", so haben sie es auf ihrem
Flugblatt formuliert. Das reichte in der Vergangenheit von einer
Sozialgeschichte des Kaffees bis zum Gedenken an die
Reichsprogromnacht. Das armenische Oratorium hat Kurt Sommer zum
ersten Mal bei einem befreundeten Chor in Groningen gehört. 1999
haben es die Bremer bei einem Konzert zum Thema Völkermord schon
einmal aufgeführt. Jetzt möchte es der Chor wieder aufnehmen: "Es
gibt ausgesprochene Liebhaber des Oratoriums", sagt Sommer. Dazu
gehört auch er selbst, der anschaulich von der Schönheit der
orientalischen Instrumente schwärmt, wie der des Dudeks, einer
armenischen Oboe, die aus Aprikosenholz angefertigt wird und ein
Rosenholz-Doppelblatt besitzt, wie Sommer erklärt.
Doch zumindest nach außen steht die polititsche Dimension der
Aufführung im Vordergrund: In diesem Jahr jährt sich
der Völkermord an den Armeniern zum neunzigsten Mal. Und im Herbst
sollen die EU-Aufnahmeverhandlungen mit der Türkei beginnen. In sein
Flugblatt hat der Chor noch recht selbstbewusst geschrieben: "Da eine
solche Mitgliedschaft ohne die Verwirklichung der Menschenrechte und
die Anerkennung des Genozids undenkbar ist, soll die Aufführung des
Oratoriums zum notwendigen Diskussions- und Aussöhnungsprozess
beitragen".
Um sowohl türkische als auch armenische und kurdische Sängerinnen und
Sänger zu finden, hat der Chor eine Anzeige geschaltet. "Daraufhin
passierte erst einmal gar nichts", sagt Kurt Sommer. Erst über
persönliche Kontakte sind eine Armenierin und zwei Kurdinnen zum Chor
gestoßen. Und jener türkische Musiker, den seine Frau nach einer
Probe wegen Zeitmangels entschuldigen ließ. "Ich habe keine Zeit",
erklärt Zehki Kara dazu am Telefon. Viel mehr möchte er nicht dazu
sagen. "Ich bin Musiker und habe kein Interesse an Politik". Aber
dann sagt er doch noch, dass er kein Problem mit dem Projekt habe,
wohl aber damit, dass die Schuld am armenischen Genozid immer nur den
Türken gegeben werde. "Die andere Seite hat auch viel Schuld".
So hat die Bremer Chorwerkstatt nur einen türkischen Sänger: Can
Tufan, türkischer Zypriot und jahrelang Leiter des
griechisch-türkischen Solidaritätschors. "Es wäre nicht das erste
Mal, dass er Druck von der Masse bekommt", sagt Kurt Sommer. "Aber er
ist schon so lange hier, er steht darüber". Tufan war es auch, der
dem Chor riet, sich mit dem türkischen Journalisten Orhan Calisir zu
treffen. "Ihr müsst euch nicht wundern, wenn keine Türken zu euch
kommen", hat Calisir gesagt. Denn das Flugblatt sei viel zu fordernd
formuliert. Und Sommer gibt ihm Recht. "Wenn man mit Leuten ins
Gespräch kommen will, kann man nicht gleich Bedingungen stellen". Im
neuen Flugblatt fehlt der Passus zu den EU-Beitritts-Verhandlungen
und den erforderlichen Schritten in der Türkei. Neue türkische
Interessenten haben sich dennoch nicht gemeldet.
Doch der Chor lässt sich nicht entmutigen: "Wir waren und sind ein
bisschen naiv", sagt Kurt Sommer. "Aber es ist richtig, den ersten
Schritt zu tun und deshalb versuchen wir es immer noch."
--Boundary_(ID_mZ5sAN64wo7Wj6H7eBufQg)--
11. August 2005
Bremen Choir workshop for Armenian Genocide to include Armenians &
Turks: But search for Turkish singers becomes difficult
"Es ist richtig, den ersten Schritt zu tun";
Die Bremer Chorwerkstatt will mit dem Armenischen Oratorium an den
Völkermord von 1915 erinnern: gemeinsam mit Türken und Armeniern.
Doch die Suche nach türkischen SängerInnen gestaltet sich schwierig -
und ist ein Lernprozess für den Chor
von Friederike Gräff
Die Bremer Chorwerkstatt will mit dem Armenischen Oratorium an den
Völkermord von 1915 erinnern: gemeinsam mit Türken und Armeniern.
Doch die Suche nach türkischen SängerInnen gestaltet sich schwierig -
und ist ein Lernprozess für den Chor
Bremen - "Ein bisschen enttäuscht" sei man, sagt Kurt Sommer vom
Vorstand der Bremer Chorwerkstatt. "Aber nicht entmutigt", setzt er
noch dazu. Also probt der Chor weiter für den November, wenn er das
"Armenische Oratorium" zum Gedenken an den Völkermord von 1915
aufführen will. Nur eben ohne türkische Sängerinnen und Sänger, wie
eigentlich gedacht. Denn der einzige türkische Interessent hat sich
inzwischen verabschiedet. "Er sagte, er hätte keine Zeit", erklärt
Sommer, aber es klingt nicht so, als glaube wirklich daran.
Die Verbindung von politischer Einmischung und Musik ist Programm bei
der Bremer Chorwerkstatt. Seit 1981 widmen sie sich dem
"gesellschaftlich orientieren Liedgut", so haben sie es auf ihrem
Flugblatt formuliert. Das reichte in der Vergangenheit von einer
Sozialgeschichte des Kaffees bis zum Gedenken an die
Reichsprogromnacht. Das armenische Oratorium hat Kurt Sommer zum
ersten Mal bei einem befreundeten Chor in Groningen gehört. 1999
haben es die Bremer bei einem Konzert zum Thema Völkermord schon
einmal aufgeführt. Jetzt möchte es der Chor wieder aufnehmen: "Es
gibt ausgesprochene Liebhaber des Oratoriums", sagt Sommer. Dazu
gehört auch er selbst, der anschaulich von der Schönheit der
orientalischen Instrumente schwärmt, wie der des Dudeks, einer
armenischen Oboe, die aus Aprikosenholz angefertigt wird und ein
Rosenholz-Doppelblatt besitzt, wie Sommer erklärt.
Doch zumindest nach außen steht die polititsche Dimension der
Aufführung im Vordergrund: In diesem Jahr jährt sich
der Völkermord an den Armeniern zum neunzigsten Mal. Und im Herbst
sollen die EU-Aufnahmeverhandlungen mit der Türkei beginnen. In sein
Flugblatt hat der Chor noch recht selbstbewusst geschrieben: "Da eine
solche Mitgliedschaft ohne die Verwirklichung der Menschenrechte und
die Anerkennung des Genozids undenkbar ist, soll die Aufführung des
Oratoriums zum notwendigen Diskussions- und Aussöhnungsprozess
beitragen".
Um sowohl türkische als auch armenische und kurdische Sängerinnen und
Sänger zu finden, hat der Chor eine Anzeige geschaltet. "Daraufhin
passierte erst einmal gar nichts", sagt Kurt Sommer. Erst über
persönliche Kontakte sind eine Armenierin und zwei Kurdinnen zum Chor
gestoßen. Und jener türkische Musiker, den seine Frau nach einer
Probe wegen Zeitmangels entschuldigen ließ. "Ich habe keine Zeit",
erklärt Zehki Kara dazu am Telefon. Viel mehr möchte er nicht dazu
sagen. "Ich bin Musiker und habe kein Interesse an Politik". Aber
dann sagt er doch noch, dass er kein Problem mit dem Projekt habe,
wohl aber damit, dass die Schuld am armenischen Genozid immer nur den
Türken gegeben werde. "Die andere Seite hat auch viel Schuld".
So hat die Bremer Chorwerkstatt nur einen türkischen Sänger: Can
Tufan, türkischer Zypriot und jahrelang Leiter des
griechisch-türkischen Solidaritätschors. "Es wäre nicht das erste
Mal, dass er Druck von der Masse bekommt", sagt Kurt Sommer. "Aber er
ist schon so lange hier, er steht darüber". Tufan war es auch, der
dem Chor riet, sich mit dem türkischen Journalisten Orhan Calisir zu
treffen. "Ihr müsst euch nicht wundern, wenn keine Türken zu euch
kommen", hat Calisir gesagt. Denn das Flugblatt sei viel zu fordernd
formuliert. Und Sommer gibt ihm Recht. "Wenn man mit Leuten ins
Gespräch kommen will, kann man nicht gleich Bedingungen stellen". Im
neuen Flugblatt fehlt der Passus zu den EU-Beitritts-Verhandlungen
und den erforderlichen Schritten in der Türkei. Neue türkische
Interessenten haben sich dennoch nicht gemeldet.
Doch der Chor lässt sich nicht entmutigen: "Wir waren und sind ein
bisschen naiv", sagt Kurt Sommer. "Aber es ist richtig, den ersten
Schritt zu tun und deshalb versuchen wir es immer noch."
--Boundary_(ID_mZ5sAN64wo7Wj6H7eBufQg)--