Der Tagesspiegel, Deutschland
Donnerstag, 8 Juli 2005
Genocide of Armenians again on the Curriculum: Ministry of Education
provides Teacher's instruction.
Völkermord an Armeniern wieder auf dem Lehrplan
Bildungsministerium stellt Unterrichtshilfe zu dem Genozid vor. Sie
enthält auch eine Relativierung durch die türkische Regierung
Von Thorsten Metzner
Potsdam - Der Vorgang erregte Anfang 2005 weit über die Brandenburger
Landesgrenzen hinaus Aufsehen: Nach diplomatischen Interventionen der
Regierung in Ankara war der Völkermord der Türken an den Armeniern in
den Jahren 1915/1916 aus dem Brandenburger Lehrplan für den
Geschichtsunterricht gestrichen worden. Jetzt legte Brandenburgs
Bildungsministerium die mit Spannung erwarteten offiziellen neuen
Unterrichtshilfen zum Thema „Völkermorde` vor. Auf ihrer Grundlage
soll der Armenier-Genozid, nach wie vor Anlass für diplomatische
Verwicklungen zwischen der Türkei und der Bundesrepublik, verbindlich
an den Schulen behandelt werden. Brandenburg ist bislang das einzige
deutsche Bundesland, in dem das geschieht. Eine solche „Handreichung`
für Lehrkräfte gibt es bundesweit bisher noch nicht.
Das 103-Seiten-Werk, das dem Tagesspiegel vorliegt, ist in den
vergangenen Monaten vom Landesinstitut für Schule und Medien (Lisum)
gemeinsam mit dem Institut für Diaspora- und Genozidforschung an der
Ruhr-Universität Bochum erstellt worden. Es trägt den Titel
„Völkermorde und staatliche Gewaltverbrechen im 20.Jahrhundert.` In
dem Material wird nicht nur ausführlich über den Völkermord an den
Armeniern im Osmanischen Reich informiert, dem bis zu 1,5 Millionen
Menschen zum Opfer fielen: Es sei der „erste große, systematische
Völkermord des 20.Jahrhunderts` gewesen - was die Türkei heute immer
noch leugnet. Informiert wird auch über die Völkermorde an den
Hereros in Deutsch-Südwestafrika in den Jahren 1904 bis 1907 und in
Ruanda 1994.
Trotzdem ist die klare Einordnung des Verbrechens an den Armeniern
als „Völkermord` dem türkischen Staat ein Dorn im Auge: In einer
offiziellen Stellungnahme des türkischen Generalkonsulates in Berlin
zu den „Ereignissen von 1915`, die in der Handreichung abgedruckt
ist, heißt es: „Türken und Armenier waren zugleich Opfer und Täter.`
Brandenburgs Bildungsstaatssekretär Martin Gorholt wies darauf hin,
dass die Materie schwierig sei und Brandenburg Neuland betrete: „Wir
haben uns deshalb um einen breiten Konsens bemüht und viele Experten
einbezogen.` Gorholt bestätigte, dass auf Grundlage der neuen
Handreichung jetzt auch der Rahmenlehrplan für den
Geschichtsunterricht der 9. und 10. Klassen verändert werden soll.
„Auch dort werden die Völkermorde an den Hereros, den Armeniern und
den Tutsi genannt`, so Gorholt. Bis zur vorübergehenden Tilgung des
Hinweises war dort nur der Armenier-Genozid erwähnt worden.
Die Handreichung informiert neben den drei Völkermorden außerdem über
die Massenmorde der Roten Khmer in Kambodscha, den Terror unter
Stalin und die postjugoslawischen Kriege - als „staatliche
Gewaltverbrechen`.
Der Völkermord der Deutschen an den europäischen Juden wurde hingegen
bewusst ausgeklammert, wie Lisum-Direktor Jan Hoffmann als
Herausgeber im Vorwort betont. Dessen „herausgehobene, besondere
Bedeutung` verbiete eine einfache, formale Einreihung in andere
Völkermorde. Zum anderen sei der Holocaust verbindlicher Bestandteil
der deutschen Lehrpläne, gebe es darüber genügend
Unterrichtsmaterialien, so Hofmann: „Im Unterschied dazu fanden
andere Völkermorde und staatliche Gewaltverbrechen des
20.Jahrhunderts oft nicht die gebührende Aufmerksamkeit.`
Donnerstag, 8 Juli 2005
Genocide of Armenians again on the Curriculum: Ministry of Education
provides Teacher's instruction.
Völkermord an Armeniern wieder auf dem Lehrplan
Bildungsministerium stellt Unterrichtshilfe zu dem Genozid vor. Sie
enthält auch eine Relativierung durch die türkische Regierung
Von Thorsten Metzner
Potsdam - Der Vorgang erregte Anfang 2005 weit über die Brandenburger
Landesgrenzen hinaus Aufsehen: Nach diplomatischen Interventionen der
Regierung in Ankara war der Völkermord der Türken an den Armeniern in
den Jahren 1915/1916 aus dem Brandenburger Lehrplan für den
Geschichtsunterricht gestrichen worden. Jetzt legte Brandenburgs
Bildungsministerium die mit Spannung erwarteten offiziellen neuen
Unterrichtshilfen zum Thema „Völkermorde` vor. Auf ihrer Grundlage
soll der Armenier-Genozid, nach wie vor Anlass für diplomatische
Verwicklungen zwischen der Türkei und der Bundesrepublik, verbindlich
an den Schulen behandelt werden. Brandenburg ist bislang das einzige
deutsche Bundesland, in dem das geschieht. Eine solche „Handreichung`
für Lehrkräfte gibt es bundesweit bisher noch nicht.
Das 103-Seiten-Werk, das dem Tagesspiegel vorliegt, ist in den
vergangenen Monaten vom Landesinstitut für Schule und Medien (Lisum)
gemeinsam mit dem Institut für Diaspora- und Genozidforschung an der
Ruhr-Universität Bochum erstellt worden. Es trägt den Titel
„Völkermorde und staatliche Gewaltverbrechen im 20.Jahrhundert.` In
dem Material wird nicht nur ausführlich über den Völkermord an den
Armeniern im Osmanischen Reich informiert, dem bis zu 1,5 Millionen
Menschen zum Opfer fielen: Es sei der „erste große, systematische
Völkermord des 20.Jahrhunderts` gewesen - was die Türkei heute immer
noch leugnet. Informiert wird auch über die Völkermorde an den
Hereros in Deutsch-Südwestafrika in den Jahren 1904 bis 1907 und in
Ruanda 1994.
Trotzdem ist die klare Einordnung des Verbrechens an den Armeniern
als „Völkermord` dem türkischen Staat ein Dorn im Auge: In einer
offiziellen Stellungnahme des türkischen Generalkonsulates in Berlin
zu den „Ereignissen von 1915`, die in der Handreichung abgedruckt
ist, heißt es: „Türken und Armenier waren zugleich Opfer und Täter.`
Brandenburgs Bildungsstaatssekretär Martin Gorholt wies darauf hin,
dass die Materie schwierig sei und Brandenburg Neuland betrete: „Wir
haben uns deshalb um einen breiten Konsens bemüht und viele Experten
einbezogen.` Gorholt bestätigte, dass auf Grundlage der neuen
Handreichung jetzt auch der Rahmenlehrplan für den
Geschichtsunterricht der 9. und 10. Klassen verändert werden soll.
„Auch dort werden die Völkermorde an den Hereros, den Armeniern und
den Tutsi genannt`, so Gorholt. Bis zur vorübergehenden Tilgung des
Hinweises war dort nur der Armenier-Genozid erwähnt worden.
Die Handreichung informiert neben den drei Völkermorden außerdem über
die Massenmorde der Roten Khmer in Kambodscha, den Terror unter
Stalin und die postjugoslawischen Kriege - als „staatliche
Gewaltverbrechen`.
Der Völkermord der Deutschen an den europäischen Juden wurde hingegen
bewusst ausgeklammert, wie Lisum-Direktor Jan Hoffmann als
Herausgeber im Vorwort betont. Dessen „herausgehobene, besondere
Bedeutung` verbiete eine einfache, formale Einreihung in andere
Völkermorde. Zum anderen sei der Holocaust verbindlicher Bestandteil
der deutschen Lehrpläne, gebe es darüber genügend
Unterrichtsmaterialien, so Hofmann: „Im Unterschied dazu fanden
andere Völkermorde und staatliche Gewaltverbrechen des
20.Jahrhunderts oft nicht die gebührende Aufmerksamkeit.`