Frankfurter Rundschau
July 19 2005
Genozid wieder Schulthema
Brandenburg legt neue Handreichung für Geschichtsunterricht vor
Mit dem neuen Schuljahr tritt in Brandenburg ein geänderter
Rahmenplan Geschichte in Kraft. Er behandelt das Thema Völkermord
unter anderem am Beispiel der Armenier im Osmanischen Reich.
VON KARL-HEINZ BAUM
Potsdam · 19. Juli · Brandenburg legt als erstes Bundesland eine
Handreichung für den Schulunterricht zum Thema "Völkermorde und
staatliche Gewaltverbrechen" vor. Das Land hatte Mitte Januar aus dem
Rahmenplan Geschichte den 2002 vom damaligen Bildungsminister Steffen
Reiche (SPD) eingefügten Zusatz gestrichen: "z. B. Genozid an der
armenischen Bevölkerung Kleinasiens". Die Türkei hatte zuvor im
Gespräch mit Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD)
auf die Streichung gedrungen - sie wurde zur Politaffäre.
Brandenburgs Bildungsstaatssekretär Martin Gorholt nannte damals die
Streichung einen "Fehler" und kündigte die neue Handreichung für
Lehrer der neunten und zehnten Klassen an. Sie erörtert auf 18 Seiten
"Völkermord an den Armeniern 1915/16 im Osmanischen Reich".
Einzelheiten seien bis heute ungeklärt, doch könne der Tatbestand des
Völkermordes nicht bestritten werden. Die offizielle Stellungnahme
des Türkischen Generalkonsulats Berlin vom April 2005 ist angehängt.
Ein Thema sind auch Haltung und Anteil des Deutschen Reichs,
Bündnispartner der Türken 1915, am Geschehen. Weitere Beispiele sind
die Völkermorde an den Herero in Deutsch-Südwestafrika 1904 bis 1907
und an den Tutsi in Ruanda 1994.
Beim Begriff "Völkermord" folgt die Schrift der UN-Resolution 260 von
1951, betont aber, in den Zusammenhang gehörten auch andere
staatliche Gewaltverbrechen. Genannt sind Verbrechen Stalins in der
Sowjetunion und der Roten Khmer in Kambodscha sowie die Balkankriege
nach 1990.
Staatssekretär Gorholt räumt "didaktische Schwächen" der Schrift ein.
Sie werde noch Überarbeitungen erleben, das lasse sich bei
Erstausgaben kaum vermeiden. Auch wenn der Holocaust die äußerste
Dimension sei, gehe das Problem Völkermord und Staatliche Gewalt über
die nationalsozialistische Massenvernichtung hinaus.
--Boundary_(ID_k3fwteRYjDGCEp54lCEXpg)--
July 19 2005
Genozid wieder Schulthema
Brandenburg legt neue Handreichung für Geschichtsunterricht vor
Mit dem neuen Schuljahr tritt in Brandenburg ein geänderter
Rahmenplan Geschichte in Kraft. Er behandelt das Thema Völkermord
unter anderem am Beispiel der Armenier im Osmanischen Reich.
VON KARL-HEINZ BAUM
Potsdam · 19. Juli · Brandenburg legt als erstes Bundesland eine
Handreichung für den Schulunterricht zum Thema "Völkermorde und
staatliche Gewaltverbrechen" vor. Das Land hatte Mitte Januar aus dem
Rahmenplan Geschichte den 2002 vom damaligen Bildungsminister Steffen
Reiche (SPD) eingefügten Zusatz gestrichen: "z. B. Genozid an der
armenischen Bevölkerung Kleinasiens". Die Türkei hatte zuvor im
Gespräch mit Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD)
auf die Streichung gedrungen - sie wurde zur Politaffäre.
Brandenburgs Bildungsstaatssekretär Martin Gorholt nannte damals die
Streichung einen "Fehler" und kündigte die neue Handreichung für
Lehrer der neunten und zehnten Klassen an. Sie erörtert auf 18 Seiten
"Völkermord an den Armeniern 1915/16 im Osmanischen Reich".
Einzelheiten seien bis heute ungeklärt, doch könne der Tatbestand des
Völkermordes nicht bestritten werden. Die offizielle Stellungnahme
des Türkischen Generalkonsulats Berlin vom April 2005 ist angehängt.
Ein Thema sind auch Haltung und Anteil des Deutschen Reichs,
Bündnispartner der Türken 1915, am Geschehen. Weitere Beispiele sind
die Völkermorde an den Herero in Deutsch-Südwestafrika 1904 bis 1907
und an den Tutsi in Ruanda 1994.
Beim Begriff "Völkermord" folgt die Schrift der UN-Resolution 260 von
1951, betont aber, in den Zusammenhang gehörten auch andere
staatliche Gewaltverbrechen. Genannt sind Verbrechen Stalins in der
Sowjetunion und der Roten Khmer in Kambodscha sowie die Balkankriege
nach 1990.
Staatssekretär Gorholt räumt "didaktische Schwächen" der Schrift ein.
Sie werde noch Überarbeitungen erleben, das lasse sich bei
Erstausgaben kaum vermeiden. Auch wenn der Holocaust die äußerste
Dimension sei, gehe das Problem Völkermord und Staatliche Gewalt über
die nationalsozialistische Massenvernichtung hinaus.
--Boundary_(ID_k3fwteRYjDGCEp54lCEXpg)--