Neue Zürcher Zeitung
Mittwoch 27 Juli 2005
Turkey sends a diplomatic note to Bern: Reaction to Perinçek's
interrogation
Die Türkei kündigt Bern eine diplomatische Note an
Reaktion auf Einvernahme von Perinçek
it. Istanbul, 26. Juli
Die offiziellen Reaktionen der Türkei auf die Ermittlungen, die in
der Schweiz gegen den Vorsitzenden der Arbeiterpartei, Dou Perinçek,
letztes Wochenende aufgenommen wurden, wollen noch nicht nachlassen.
Am Dienstag hat der Sprecher des türkischen Aussenministeriums, Namik
Tan, mit einer «diplomatischen Note an die Adresse Berns» gedroht.
Die Einvernahme des türkischen Politikers habe in der Türkei
«Unbehagen» ausgelöst, was man Bern auch habe wissen lassen, erklärte
er am Dienstag der Presse. Seine Regierung warte nun auf eine
Entscheidung des Schweizer Staatsanwalts, wolle aber unabhängig von
dieser Entscheidung Bern eine diplomatische Note überreichen.
Dou Perinçek war in den siebziger und achtziger Jahren als linker
Politiker bekannt gewesen, geriet aber nach Mitte der neunziger Jahre
in die Grauzone des betont nationalistischen Lagers. Letzten Freitag
hatte er in Opfikon-Glattbrugg an einer Medienkonferenz zum 82.
Jahrestag des Lausanner Vertrags den von zahlreichen Parlamenten und
Regierungen anerkannten «Völkermord an den Armeniern» als Lüge
bezeichnet. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland eröffnete
darauf von Amtes wegen eine Untersuchung und führte eine Einvernahme
von Perinçek durch. Eine Untersuchung war in der Schweiz zuvor auch
gegen den türkischen Historiker Yusuf Halaçolu eingeleitet worden.
Dieser bestreitet einen von den Osmanen verübten Völkermord an den
Armeniern ebenfalls vehement. Der Pressesprecher des türkischen
Aussenministeriums unterstrich, die Wiederholung des Ereignisses
trage offenbar nicht zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen
bei.
Eine Aufgabe der Justiz
C. W. Wer eine Person oder Gruppe «wegen ihrer Rasse, Ethnie oder
Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise
herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord
oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich
verharmlost oder zu rechtfertigen sucht», wird nach schweizerischem
Recht mit Gefängnis oder Busse bestraft. Der Armeniermord von 1915
fällt unabhängig von einer «Anerkennung» durch den Bundesrat
zweifellos unter die Strafnorm - wie immer man diese politisch
beurteilen mag. Marcel Niggli schreibt in seinem juristischen
Kommentar zudem, dass der Leugnung eines Genozids in der Regel
rassistische Motive zugrunde liegen dürften. Auch wenn das Resultat
der Untersuchungen gegen türkische Nationalisten nicht vorwegzunehmen
ist, hatten die zuständigen Behörden in der Schweiz Grund, aktiv zu
werden. Ein ausländischer Politiker - nicht Parlamentarier - kann
keine Sonderstellung beanspruchen. Die Regierung des zur EU
strebenden Europaratsmitglieds Türkei müsste eigentlich Verständnis
für die Aufgaben einer unabhängigen Justiz aufbringen (die sich von
den politischen Gesten schweizerischer Parlamente für die Armenier
klar unterscheiden). So sollte seinerseits der Bundesrat auf
diplomatischen Druck eines wichtigen Wirtschaftspartners gelassen
reagieren können.
Mittwoch 27 Juli 2005
Turkey sends a diplomatic note to Bern: Reaction to Perinçek's
interrogation
Die Türkei kündigt Bern eine diplomatische Note an
Reaktion auf Einvernahme von Perinçek
it. Istanbul, 26. Juli
Die offiziellen Reaktionen der Türkei auf die Ermittlungen, die in
der Schweiz gegen den Vorsitzenden der Arbeiterpartei, Dou Perinçek,
letztes Wochenende aufgenommen wurden, wollen noch nicht nachlassen.
Am Dienstag hat der Sprecher des türkischen Aussenministeriums, Namik
Tan, mit einer «diplomatischen Note an die Adresse Berns» gedroht.
Die Einvernahme des türkischen Politikers habe in der Türkei
«Unbehagen» ausgelöst, was man Bern auch habe wissen lassen, erklärte
er am Dienstag der Presse. Seine Regierung warte nun auf eine
Entscheidung des Schweizer Staatsanwalts, wolle aber unabhängig von
dieser Entscheidung Bern eine diplomatische Note überreichen.
Dou Perinçek war in den siebziger und achtziger Jahren als linker
Politiker bekannt gewesen, geriet aber nach Mitte der neunziger Jahre
in die Grauzone des betont nationalistischen Lagers. Letzten Freitag
hatte er in Opfikon-Glattbrugg an einer Medienkonferenz zum 82.
Jahrestag des Lausanner Vertrags den von zahlreichen Parlamenten und
Regierungen anerkannten «Völkermord an den Armeniern» als Lüge
bezeichnet. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland eröffnete
darauf von Amtes wegen eine Untersuchung und führte eine Einvernahme
von Perinçek durch. Eine Untersuchung war in der Schweiz zuvor auch
gegen den türkischen Historiker Yusuf Halaçolu eingeleitet worden.
Dieser bestreitet einen von den Osmanen verübten Völkermord an den
Armeniern ebenfalls vehement. Der Pressesprecher des türkischen
Aussenministeriums unterstrich, die Wiederholung des Ereignisses
trage offenbar nicht zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen
bei.
Eine Aufgabe der Justiz
C. W. Wer eine Person oder Gruppe «wegen ihrer Rasse, Ethnie oder
Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise
herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord
oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich
verharmlost oder zu rechtfertigen sucht», wird nach schweizerischem
Recht mit Gefängnis oder Busse bestraft. Der Armeniermord von 1915
fällt unabhängig von einer «Anerkennung» durch den Bundesrat
zweifellos unter die Strafnorm - wie immer man diese politisch
beurteilen mag. Marcel Niggli schreibt in seinem juristischen
Kommentar zudem, dass der Leugnung eines Genozids in der Regel
rassistische Motive zugrunde liegen dürften. Auch wenn das Resultat
der Untersuchungen gegen türkische Nationalisten nicht vorwegzunehmen
ist, hatten die zuständigen Behörden in der Schweiz Grund, aktiv zu
werden. Ein ausländischer Politiker - nicht Parlamentarier - kann
keine Sonderstellung beanspruchen. Die Regierung des zur EU
strebenden Europaratsmitglieds Türkei müsste eigentlich Verständnis
für die Aufgaben einer unabhängigen Justiz aufbringen (die sich von
den politischen Gesten schweizerischer Parlamente für die Armenier
klar unterscheiden). So sollte seinerseits der Bundesrat auf
diplomatischen Druck eines wichtigen Wirtschaftspartners gelassen
reagieren können.