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Justice & the Armenian Massacres (in German)

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    Neue Zürcher Zeitung
    Freitag, 29. Juli 2005


    Die Justiz und der Armeniermord
    Neue politische Ausgangslage - neue Rechtsprechung?

    Die hiesigen Ermittlungen gegen einen türkischen Genozid-Leugner
    sorgen derzeit für grosse Unruhe. Die Schweizer Justiz hat sich
    bereits vor einigen Jahren mit dem Armeniermord befasst und die
    angeklagten Türken, die den Genozid leugneten, freigesprochen. Die
    politische Ausgangslage hat sich inzwischen allerdings geändert.

    fon. Bern, 28. Juli

    Der türkische Botschafter in der Schweiz ist am Donnerstag im
    Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA)
    empfangen worden. Grund sind die von der Staatsanwaltschaft
    Winterthur eröffneten und von der Türkei scharf kritisierten
    Ermittlungen gegen den türkischen Politiker Dogu Perinçek, der den
    Völkermord an den Armeniern an einer öffentlichen Veranstaltung in
    Glattbrugg als «imperialistische Lüge» bezeichnet hatte (vgl. NZZ vom
    27. 7. 05). Das EDA, das von Botschafter Jean-Jacques de Dardel
    vertreten wurde, habe sich erneut «erstaunt» über die anhaltenden
    Proteste der türkischen Regierung gezeigt, hiess es in einem
    Communiqué. Man habe im Gespräch die hiesige Strafgesetzgebung
    erläutert, wonach die Leugnung von Völkermord strafbar sei. Das EDA
    zeigte sich zuversichtlich, dass seine Erläuterungen einer «ruhigeren
    Arbeitsatmosphäre förderlich» seien. Ob die türkische Seite dies auch
    so sieht - und wie sie sich verhalten wird, falls es zu einem Prozess
    gegen Perinçek kommen sollte -, muss sich allerdings erst noch
    weisen.

    Nicht der erste Fall für die Justiz
    Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Schweizer Justiz mit dem
    Armeniermord von 1915 befasst. Vor vier Jahren wurde vor dem
    Strafgericht Bern-Laupen der Fall mehrerer Türken verhandelt, denen
    vorgeworfen wurde, in einer Petition an die eidgenössischen Räte die
    Massaker an den Armeniern als Genozid geleugnet zu haben. Das Gericht
    sprach die Angeschuldigten frei. Der Freispruch wurde im Wesentlichen
    damit begründet, dass die Angeklagten keine Historiker seien, sondern
    Personen, die nur über ein bescheidenes und ideologisiertes
    Geschichtswissen verfügten und aus borniertem Nationalismus und nicht
    aus rassistischen Motiven gehandelt hätten. Da der subjektive
    Tatbestand als nicht erfüllt angesehen wurde, konnte das Gericht die
    Frage, ob es sich bei den am armenischen Volk begangenen Verbrechen
    um Völkermord handle, letztlich offen lassen. In seiner Begründung
    sprach es sich aber für eine zurückhaltende Auslegung aus und verwies
    dazu auf die Haltung von Bundesrat und Parlament: Diese hatten den
    Völkermord an den Armeniern bis dahin nicht anerkannt. Das Urteil
    wurde von einer Gruppe von Privatklägern zuerst an das Obergericht
    des Kantons Bern und sodann an das Bundesgericht weitergezogen; beide
    Beschwerden wurden abgewiesen.

    Anerkennung durch den Nationalrat
    Nach Auffassung des Freiburger Strafrechtsprofessors Marcel Niggli
    zeigten alle in den Prozess involvierten Gerichte einen erheblichen
    Unwillen, das politisch heikle Thema des Armeniermordes juristisch zu
    bewerten. Die politische Ausgangslage hat sich inzwischen allerdings
    geändert. Der Nationalrat hat Ende 2003 den Völkermord an den
    Armeniern ausdrücklich anerkannt - wie dies viele Länder von
    Frankreich über Belgien, Kanada und Griechenland bis zu den
    Vereinigten Staaten bereits vor längerem getan haben. Niggli ist
    überzeugt, dass der Entscheid des Nationalrats auf künftige
    Strafprozesse grossen Einfluss haben wird. Es sei unwahrscheinlich,
    dass ein Schweizer Gericht die Massaker an den Armeniern künftig
    nicht klar als Völkermord beurteilen werde, meint er. Die
    Genozid-Leugner nochmals mit dem Argument freizusprechen, dass ihnen
    in diesem Bereich die Kenntnisse fehlten, sei nunmehr nicht mehr
    denkbar.
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