Frankfurter Allgemeine Zeitung
31. Mai 2005
Der Kampf um den Kaukasus;
Die Vereinigten Staaten und Iran sind die wichtigsten Konkurrenten
Rainer Hermann
TEHERAN, Ende Mai
Der Kreis um Iran schließt sich. Amerikanische Soldaten stehen in
Ländern sudlich des Persischen Golfs, vor allem in Kuweit und Qatar,
im Irak sind sie präsent und in Afghanistan. Unauffällig hatte
Teheran in diesen beiden Ländern die Vereinigten Staaten unterstutzt,
beim Sturz Saddam Husseins und der Taliban. Doch die Islamische
Republik hat es nicht verstanden, diese Hilfe in politisches Kapital
umzumunzen. Nun setzen sich die Vereinigten Staaten militärisch auch
nordlich Irans, in Aserbaidschan, fest, nachdem sie seit 2001
Einheiten in Usbekistan stationiert hatten.
Nicht gefallen kann Iran ferner, daß sich drei Staaten des
Sudkaukasus, neben Aserbaidschan auch Georgien und Armenien, auf den
Westen zubewegen. Wirtschaftlich binden sie die zwei Pipelines von
Baku in die Turkei - fur Ol an den Mittelmeerhafen Ceyhan und fur Gas
nach Erzurum - enger an den Westen. Politisch hat am auffälligsten
die Revolution in Georgien die Orientierung nach Westen verstärkt.
Spuren hinterlassen hat aber auch der Sog der Revolutionen in der
Ukraine und in Kirgistan.
Teheran sieht nicht tatenlos zu, wie ihm die Kontrolle uber sein
Hinterland entgleitet. Iran will sich daher als Transportkorridor
zwischen dem Indischen Ozean und dem Gebiet der ehemaligen
Sowjetunion unentbehrlich machen. Im April wurde das letzte Teilstuck
zwischen dem Hafen Bandar Abbas und der Grenze zu Turkmenistan
geschlossen. Nun gibt Teheran 600 Millionen Dollar aus, um die Trasse
von Bandar Abbas uber Ghazwin an die Grenze zu Aserbaidschan zu
vollenden. Sowohl in Sarakhs als auch in Astara wurde Iran Anschluß
an das fruhere sowjetische Eisenbahnnetz erhalten. Iran will damit
zum Seeweg vom Indischen Ozean durch den Suezkanal nach Osteuropa
eine preiswerte Transportalternative anbieten.
Der Einfluß Rußlands an seiner sudlichen Flanke geht zuruck. Weder in
Georgien noch in der Ukraine konnte es den Sturz loyaler Regime
verhindern. Moskau scheint nicht mehr stark genug, um seinen Einfluß
abzusichern. Die Turkei hatte vergeblich versucht, in das entstehende
Vakuum vorzustoßen. Je geringer die Ruckendeckung aus Washington
wurde, das die Turkei zu einer aktiven Politik im Kaukasus und in
Zentralasien ermuntert hatte, desto unbedeutender wurden deren
Moglichkeiten. Nur beim besonders eng verwandten Turkvolk der
Aserbaidschaner hat die Turkei bis heute einen politischen
Verbundeten. Nach dem Ausscheiden der Turkei bleiben damit Iran und
die Vereinigten Staaten, um im Kaukasus und in Zentralasien um
Einfluß zu wetteifern. Die Vereinigten Staaten setzen dabei auf ihre
militärische Macht. Am 12. April 2005 besuchte der amerikanische
Verteidigungsminister Rumsfeld Aserbaidschan und vereinbarte die
Stationierung amerikanischer Soldaten. 300 Soldaten sollen schon
eingetroffen sein. Sie bilden etwa die aserbaidschanische Kustenwacht
auf dem Kaspischen Meer aus, an das auch Iran grenzt. In den
kommenden Monaten will Washington Tausende Soldaten auf drei
Luftwaffenstutzpunkte entsenden, auch fur eine schnelle
Eingreiftruppe auf der Halbinsel Apscheron vor Baku und fur den
Betrieb von Radarstationen. Moskau sieht damit langfristig seine
lebenswichtige Radarstation in Qabala, im Herzen Aserbaidschans, in
Gefahr.
Washington setzt sich in Aserbaidschan aus drei Grunden fest: Die
Kaukasusrepublik verfugt uber bedeutende Olvorkommen, uber ihr
Territorium verlaufen wichtige Pipelines, und von hier aus konnen
Iran sowie der nordliche Teil des Nahen Ostens kontrolliert werden.
Mit einer engen Anbindung will Washington zudem verhindern, daß
Aserbaidschan einer Pipeline zum Transport iranischen Ols durch den
Kaukasus nach Europa zustimmt. Sollte sich der aserbaidschanische
Autokrat Alijew nicht den Wunschen fugen, droht ihm, daß die
Vereinigten Staaten - wie bereits in der Ukraine und in Georgien -
die Opposition unterstutzen konnten. Im November finden in
Aserbaidschan Parlamentswahlen statt. Der in Unruhe versetzte Alijew
war zumindest nicht bereit gewesen, im April Rumsfeld zu empfangen.
Wie Rußland ist auch Iran nicht an einer Ausweitung des
amerikanischen Einflusses gelegen. Auf eine gemeinsame Politik
konnten sich Teheran und Moskau bislang aber nicht verständigen.
Wegen Meinungsverschiedenheiten zum volkerrechtlichen Status des
Kaspischen Meeres hat Putin Iran noch immer nicht besucht.
Andererseits hält Rußland das iranische Ansinnen, die
Urananreicherung wiederaufzunehmen, fur "legitim" und sieht im
iranischen Atomprogramm keine Bedrohung fur die Sicherheit. Vor einem
Monat hat Rußland zudem angekundigt, noch in diesem Jahr nuklearen
Brennstoff fur das vor der Fertigstellung stehende iranische
Atomkraftwerk Bushir zu liefern.
Um sich gegen die Gefahr aus Aserbaidschan abzusichern, hat Iran nur
einen Monat nach Rumsfelds Besuch mit Baku einen Nichtangriffspakt
unterzeichnet. Dabei verpflichten sich beide Staaten, daß sie ihr
Territorium nicht einem Dritten fur einen Angriff auf den anderen
Vertragsstaat bereitstellen. Unklar ist, was Iran Aserbaidschan dafur
geboten hat. Denn in der Vergangenheit hatte sich Baku ungehalten
uber die iranische Neutralität im Konflikt mit Armenien zur
umstrittenen Enklave Nagornyj Karabach gezeigt, auch uber die engen
wirtschaftlichen Kontakte Irans mit Armenien.
Iran unterhält in Eriwan bereits eine große Handelskolonie. Nun will
Armenien iranisches Gas beziehen, um seine Abhängigkeit vom
russischen Gas abzubauen. Iran ist bereit, aus Armenien Elektrizität
zu beziehen. Auch in Georgien wittert Iran Chancen. Georgien will
zwar Rußland fernhalten, seine zunehmend nationalistischen Tone
finden in Washington offenbar aber nicht nur Gefallen. Auch in
Georgien bietet sich Iran an, russisches durch eigenes Gas zu
ersetzen und moglicherweise von dort sogar nach Europa zu
transportieren.
Damit kann Iran aber noch nicht die zusätzliche Bedrohung
neutralisieren, die nun vom Norden und dem Kaspischen Meer ausgeht.
Iran hat daher die Produktion seiner Unterseeboote forciert und
versucht, am Kaspischen Meer eine Militärpräsenz aufzubauen, bevor
die Amerikaner so weit sind. Sicherheitsgarantien sind daher nicht
zufällig die wichtigste Forderung Irans in den Atomgesprächen mit der
EU. Einen wichtigen Rustungslieferanten hatte Iran mit der Revolution
in der Ukraine verloren. Von dort hatte Iran zuletzt Trägerraketen
bezogen, die sich auch fur atomare Sprengkopfe eignen. Die Zahl der
zuverlässigen außenpolitischen Partner war mit dem Machtwechsel in
Kiew kleiner geworden. Sollte sich der Kaukasus unter dem Einfluß der
Vereinigten Staaten und der EU tatsächlich weiter nach Westen
orientieren, bliebe Iran zu einer Ostorientierung keine Alternative.
Dort gelingen der Teheraner Ol- und Gasdiplomatie auch Erfolge. Mit
Pakistan und Indien erzielte Iran zum Bau einer vier Milliarden
Dollar teuren Gaspipeline einen Durchbruch, und das energiehungrige
China will sich mit Energieverträgen, die auf 25 Jahre angelegt sind,
langfristig an Iran binden. China ist in nur wenigen Jahren zu einem
der wichtigsten Handelspartner Irans aufgestiegen und so ein neuer
Akteur in der Region geworden.
--Boundary_(ID_Ykn2dm6ToL1pb8Qp5XDByQ)--
31. Mai 2005
Der Kampf um den Kaukasus;
Die Vereinigten Staaten und Iran sind die wichtigsten Konkurrenten
Rainer Hermann
TEHERAN, Ende Mai
Der Kreis um Iran schließt sich. Amerikanische Soldaten stehen in
Ländern sudlich des Persischen Golfs, vor allem in Kuweit und Qatar,
im Irak sind sie präsent und in Afghanistan. Unauffällig hatte
Teheran in diesen beiden Ländern die Vereinigten Staaten unterstutzt,
beim Sturz Saddam Husseins und der Taliban. Doch die Islamische
Republik hat es nicht verstanden, diese Hilfe in politisches Kapital
umzumunzen. Nun setzen sich die Vereinigten Staaten militärisch auch
nordlich Irans, in Aserbaidschan, fest, nachdem sie seit 2001
Einheiten in Usbekistan stationiert hatten.
Nicht gefallen kann Iran ferner, daß sich drei Staaten des
Sudkaukasus, neben Aserbaidschan auch Georgien und Armenien, auf den
Westen zubewegen. Wirtschaftlich binden sie die zwei Pipelines von
Baku in die Turkei - fur Ol an den Mittelmeerhafen Ceyhan und fur Gas
nach Erzurum - enger an den Westen. Politisch hat am auffälligsten
die Revolution in Georgien die Orientierung nach Westen verstärkt.
Spuren hinterlassen hat aber auch der Sog der Revolutionen in der
Ukraine und in Kirgistan.
Teheran sieht nicht tatenlos zu, wie ihm die Kontrolle uber sein
Hinterland entgleitet. Iran will sich daher als Transportkorridor
zwischen dem Indischen Ozean und dem Gebiet der ehemaligen
Sowjetunion unentbehrlich machen. Im April wurde das letzte Teilstuck
zwischen dem Hafen Bandar Abbas und der Grenze zu Turkmenistan
geschlossen. Nun gibt Teheran 600 Millionen Dollar aus, um die Trasse
von Bandar Abbas uber Ghazwin an die Grenze zu Aserbaidschan zu
vollenden. Sowohl in Sarakhs als auch in Astara wurde Iran Anschluß
an das fruhere sowjetische Eisenbahnnetz erhalten. Iran will damit
zum Seeweg vom Indischen Ozean durch den Suezkanal nach Osteuropa
eine preiswerte Transportalternative anbieten.
Der Einfluß Rußlands an seiner sudlichen Flanke geht zuruck. Weder in
Georgien noch in der Ukraine konnte es den Sturz loyaler Regime
verhindern. Moskau scheint nicht mehr stark genug, um seinen Einfluß
abzusichern. Die Turkei hatte vergeblich versucht, in das entstehende
Vakuum vorzustoßen. Je geringer die Ruckendeckung aus Washington
wurde, das die Turkei zu einer aktiven Politik im Kaukasus und in
Zentralasien ermuntert hatte, desto unbedeutender wurden deren
Moglichkeiten. Nur beim besonders eng verwandten Turkvolk der
Aserbaidschaner hat die Turkei bis heute einen politischen
Verbundeten. Nach dem Ausscheiden der Turkei bleiben damit Iran und
die Vereinigten Staaten, um im Kaukasus und in Zentralasien um
Einfluß zu wetteifern. Die Vereinigten Staaten setzen dabei auf ihre
militärische Macht. Am 12. April 2005 besuchte der amerikanische
Verteidigungsminister Rumsfeld Aserbaidschan und vereinbarte die
Stationierung amerikanischer Soldaten. 300 Soldaten sollen schon
eingetroffen sein. Sie bilden etwa die aserbaidschanische Kustenwacht
auf dem Kaspischen Meer aus, an das auch Iran grenzt. In den
kommenden Monaten will Washington Tausende Soldaten auf drei
Luftwaffenstutzpunkte entsenden, auch fur eine schnelle
Eingreiftruppe auf der Halbinsel Apscheron vor Baku und fur den
Betrieb von Radarstationen. Moskau sieht damit langfristig seine
lebenswichtige Radarstation in Qabala, im Herzen Aserbaidschans, in
Gefahr.
Washington setzt sich in Aserbaidschan aus drei Grunden fest: Die
Kaukasusrepublik verfugt uber bedeutende Olvorkommen, uber ihr
Territorium verlaufen wichtige Pipelines, und von hier aus konnen
Iran sowie der nordliche Teil des Nahen Ostens kontrolliert werden.
Mit einer engen Anbindung will Washington zudem verhindern, daß
Aserbaidschan einer Pipeline zum Transport iranischen Ols durch den
Kaukasus nach Europa zustimmt. Sollte sich der aserbaidschanische
Autokrat Alijew nicht den Wunschen fugen, droht ihm, daß die
Vereinigten Staaten - wie bereits in der Ukraine und in Georgien -
die Opposition unterstutzen konnten. Im November finden in
Aserbaidschan Parlamentswahlen statt. Der in Unruhe versetzte Alijew
war zumindest nicht bereit gewesen, im April Rumsfeld zu empfangen.
Wie Rußland ist auch Iran nicht an einer Ausweitung des
amerikanischen Einflusses gelegen. Auf eine gemeinsame Politik
konnten sich Teheran und Moskau bislang aber nicht verständigen.
Wegen Meinungsverschiedenheiten zum volkerrechtlichen Status des
Kaspischen Meeres hat Putin Iran noch immer nicht besucht.
Andererseits hält Rußland das iranische Ansinnen, die
Urananreicherung wiederaufzunehmen, fur "legitim" und sieht im
iranischen Atomprogramm keine Bedrohung fur die Sicherheit. Vor einem
Monat hat Rußland zudem angekundigt, noch in diesem Jahr nuklearen
Brennstoff fur das vor der Fertigstellung stehende iranische
Atomkraftwerk Bushir zu liefern.
Um sich gegen die Gefahr aus Aserbaidschan abzusichern, hat Iran nur
einen Monat nach Rumsfelds Besuch mit Baku einen Nichtangriffspakt
unterzeichnet. Dabei verpflichten sich beide Staaten, daß sie ihr
Territorium nicht einem Dritten fur einen Angriff auf den anderen
Vertragsstaat bereitstellen. Unklar ist, was Iran Aserbaidschan dafur
geboten hat. Denn in der Vergangenheit hatte sich Baku ungehalten
uber die iranische Neutralität im Konflikt mit Armenien zur
umstrittenen Enklave Nagornyj Karabach gezeigt, auch uber die engen
wirtschaftlichen Kontakte Irans mit Armenien.
Iran unterhält in Eriwan bereits eine große Handelskolonie. Nun will
Armenien iranisches Gas beziehen, um seine Abhängigkeit vom
russischen Gas abzubauen. Iran ist bereit, aus Armenien Elektrizität
zu beziehen. Auch in Georgien wittert Iran Chancen. Georgien will
zwar Rußland fernhalten, seine zunehmend nationalistischen Tone
finden in Washington offenbar aber nicht nur Gefallen. Auch in
Georgien bietet sich Iran an, russisches durch eigenes Gas zu
ersetzen und moglicherweise von dort sogar nach Europa zu
transportieren.
Damit kann Iran aber noch nicht die zusätzliche Bedrohung
neutralisieren, die nun vom Norden und dem Kaspischen Meer ausgeht.
Iran hat daher die Produktion seiner Unterseeboote forciert und
versucht, am Kaspischen Meer eine Militärpräsenz aufzubauen, bevor
die Amerikaner so weit sind. Sicherheitsgarantien sind daher nicht
zufällig die wichtigste Forderung Irans in den Atomgesprächen mit der
EU. Einen wichtigen Rustungslieferanten hatte Iran mit der Revolution
in der Ukraine verloren. Von dort hatte Iran zuletzt Trägerraketen
bezogen, die sich auch fur atomare Sprengkopfe eignen. Die Zahl der
zuverlässigen außenpolitischen Partner war mit dem Machtwechsel in
Kiew kleiner geworden. Sollte sich der Kaukasus unter dem Einfluß der
Vereinigten Staaten und der EU tatsächlich weiter nach Westen
orientieren, bliebe Iran zu einer Ostorientierung keine Alternative.
Dort gelingen der Teheraner Ol- und Gasdiplomatie auch Erfolge. Mit
Pakistan und Indien erzielte Iran zum Bau einer vier Milliarden
Dollar teuren Gaspipeline einen Durchbruch, und das energiehungrige
China will sich mit Energieverträgen, die auf 25 Jahre angelegt sind,
langfristig an Iran binden. China ist in nur wenigen Jahren zu einem
der wichtigsten Handelspartner Irans aufgestiegen und so ein neuer
Akteur in der Region geworden.
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