Frankfurter Rundschau
16. Juni 2005
Bundestag verschärft Beschluss zu Armeniern ;
Abgeordnete stimmen heute über Antrag zu Völkermord im Osmanischen
Reich ab / Ankara verärgert
Alle Fraktionen wollen an diesem Donnerstag im Bundestag für einen
verschärften Antrag zum historischen Völkermord an den Armeniern vor
90 Jahren stimmen. Einen Tag vorher hat der türkische Außenminister
nochmals scharf dagegen protestiert.
TEXT:
VON RICHARD MENG U. THOMAS KRÖTER
Berlin/Ankara · 15. Juni · Nach monatelangem Gerangel, in dem
speziell SPD und Regierung aus diplomatischer Rücksicht auf Ankara
klarere Formulierungen verhindern wollten, haben die jüngsten
Entwicklungen in der Türkei zu einer Verschärfung des Beschlusstextes
geführt.
In der Begründung des Textes findet sich jetzt auch der von der
Türkei massiv abgelehnte Begriff "Völkermord": Viele unabhängige
Historiker, Parlamente und internationale Organisationen, heißt es,
bezeichneten die "Vertreibung und Vernichtung" von über einer Million
Armeniern 1915 als Völkermord.
Im gemeinsam von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen getragenen Beschluss
will der Bundestag ausdrücklich "bedauern", dass "heute in der Türkei
eine umfassende Diskussion über die damaligen Ereignisse im
Osmanischen Reich immer noch nicht möglich ist und Wissenschaftler
und Schriftsteller, die sich mit diesem Teil der türkischen
Geschichte auseinander setzen wollen, strafrechtlicher Verfolgung und
öffentlicher Diffamierung ausgesetzt sind".
Der Bundestag "beklagt" danach die damaligen "Taten der
jungtürkischen Regierung, die zur fast vollständigen Vernichtung der
Armenier in Anatolien geführt haben", und "bedauert" die damalige
"unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches". In Bezugnahme auf die
deutsche Nazi-Geschichte heißt es, der Bundestag sei sich "bewusst,
wie schwer es für jedes Volk ist, zu den dunklen Seiten seiner
Vergangenheit zu stehen". Ehrliche Aufarbeitung sei aber nötig und
Voraussetzung der Versöhnung.
Außenminister Abdullah Gül sagte am Mittwoch vor deutschen
Journalisten in Ankara, der Beschluss werde die Türken "sehr
verletzen" und die deutsche Debatte dazu habe sie auch schon
verletzt. Zudem habe das historische Thema "überhaupt nichts zu tun"
mit der deutschen Nazi-Vergangenheit. Der Beschluss sei ungerecht
gegenüber den Türken "nicht nur in der Türkei, sondern auch in
Deutschland". Hauptaufgabe zwischen beiden Ländern sei "die
vollständige Integration der in Deutschland lebenden Türken", und die
Armeniendebatte werde dies "überschatten".
--Boundary_(ID_yccW2aXrRYxjyx2hCpLWXg)--
16. Juni 2005
Bundestag verschärft Beschluss zu Armeniern ;
Abgeordnete stimmen heute über Antrag zu Völkermord im Osmanischen
Reich ab / Ankara verärgert
Alle Fraktionen wollen an diesem Donnerstag im Bundestag für einen
verschärften Antrag zum historischen Völkermord an den Armeniern vor
90 Jahren stimmen. Einen Tag vorher hat der türkische Außenminister
nochmals scharf dagegen protestiert.
TEXT:
VON RICHARD MENG U. THOMAS KRÖTER
Berlin/Ankara · 15. Juni · Nach monatelangem Gerangel, in dem
speziell SPD und Regierung aus diplomatischer Rücksicht auf Ankara
klarere Formulierungen verhindern wollten, haben die jüngsten
Entwicklungen in der Türkei zu einer Verschärfung des Beschlusstextes
geführt.
In der Begründung des Textes findet sich jetzt auch der von der
Türkei massiv abgelehnte Begriff "Völkermord": Viele unabhängige
Historiker, Parlamente und internationale Organisationen, heißt es,
bezeichneten die "Vertreibung und Vernichtung" von über einer Million
Armeniern 1915 als Völkermord.
Im gemeinsam von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen getragenen Beschluss
will der Bundestag ausdrücklich "bedauern", dass "heute in der Türkei
eine umfassende Diskussion über die damaligen Ereignisse im
Osmanischen Reich immer noch nicht möglich ist und Wissenschaftler
und Schriftsteller, die sich mit diesem Teil der türkischen
Geschichte auseinander setzen wollen, strafrechtlicher Verfolgung und
öffentlicher Diffamierung ausgesetzt sind".
Der Bundestag "beklagt" danach die damaligen "Taten der
jungtürkischen Regierung, die zur fast vollständigen Vernichtung der
Armenier in Anatolien geführt haben", und "bedauert" die damalige
"unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches". In Bezugnahme auf die
deutsche Nazi-Geschichte heißt es, der Bundestag sei sich "bewusst,
wie schwer es für jedes Volk ist, zu den dunklen Seiten seiner
Vergangenheit zu stehen". Ehrliche Aufarbeitung sei aber nötig und
Voraussetzung der Versöhnung.
Außenminister Abdullah Gül sagte am Mittwoch vor deutschen
Journalisten in Ankara, der Beschluss werde die Türken "sehr
verletzen" und die deutsche Debatte dazu habe sie auch schon
verletzt. Zudem habe das historische Thema "überhaupt nichts zu tun"
mit der deutschen Nazi-Vergangenheit. Der Beschluss sei ungerecht
gegenüber den Türken "nicht nur in der Türkei, sondern auch in
Deutschland". Hauptaufgabe zwischen beiden Ländern sei "die
vollständige Integration der in Deutschland lebenden Türken", und die
Armeniendebatte werde dies "überschatten".
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