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"Massaker an Armeniern wird immer noch verharmlost"; Ankara reagiert

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    Frankfurter Allgemeine Zeitung
    17. Juni 2005

    Bundestag rugt Gedenkpraxis der Turkei;

    "Massaker an Armeniern wird immer noch verharmlost"; Ankara reagiert
    mit scharfer Kritik


    low. BERLIN, 16. Juni. Der Bundestag hat am Donnerstag in einem
    gemeinsamen Antrag aller Fraktionen bedauert, daß in der Turkei eine
    umfassende Diskussion uber die "fast vollständige Vernichtung der
    Armenier in Anatolien" vor 90 Jahren im Osmanischen Reich nicht
    moglich sei. "Mit tiefer Sorge" sehe es der Bundestag, "daß die
    Armenier-Konferenz international angesehener turkischer
    Wissenschaftler, die vom 25. bis 27. Mai 2005 in Istanbul stattfinden
    sollte, durch den turkischen Justizminister unterbunden wurde und die
    von der turkischen Regierungsmeinung abweichenden Positionen dieser
    Wissenschaftler als ,Dolchstoß in den Rucken der turkischen Nation'
    diffamiert wurden."

    Ankara hatte schon vor der Verabschiedung scharf auf den Antrag
    reagiert und vor seiner Verabschiedung gewarnt. Außenminister Gul
    bezeichnete den Text als "verantwortungslos, besturzend und
    verletzend". "Es gab keinen Volkermord an den Armeniern", sagte er
    der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Deutsche und Turken mußten
    als wichtigstes Projekt die vollige Integration der Turken in
    Deutschland vorantreiben. Diese Aufgabe werde durch die Konfrontation
    der deutschen Offentlichkeit mit dem Thema Armenien erschwert.

    In der Antragsbegrundung heißt es: "Insgesamt wird das Ausmaß der
    Massaker und Deportationen in der Turkei immer noch verharmlost und
    weitgehend bestritten." Diese turkische Haltung stehe im Widerspruch
    zu der Idee der Versohnung, welche die Wertegemeinschaft der
    Europäischen Union (EU) leite. Die EU will am 3. Oktober
    Beitrittsverhandlungen mit der Turkei beginnen. Der Bundestag sei
    sich "aus langer eigener Erfahrung" bewußt, "wie schwer es fur jedes
    Volk ist, zu den dunklen Seiten seiner Vergangenheit zu stehen". Eine
    ehrliche Aufarbeitung der Geschichte sei aber notwendig, besonders
    "im Rahmen einer europäischen Kultur der Erinnerung, zu der die
    offene Auseinandersetzung mit den dunklen Seiten der jeweiligen
    nationalen Geschichte gehort".

    Nicht verschwiegen wird in dem Antrag, der von den Vorsitzenden aller
    vier Fraktionen unterzeichnet ist, die "unruhmliche Rolle des
    Deutschen Reiches, das angesichts der vielfältigen Informationen uber
    die organisierte Vertreibung und Vernichtung von Armeniern nicht
    einmal versucht hat, die Greuel zu stoppen". Auch werden der Turkei
    "erste positive Anzeichen" dafur zugute gehalten, daß sie sich "im
    Sinne der erwähnten europäischen Kultur der Erinnerung zunehmend mit
    der Thematik beschäftigt". So habe die turkische Nationalversammlung
    erstmals turkische Burger armenischer Abstammung zu Gesprächen
    eingeladen und Ministerpräsident Erdogan offentlich vorgeschlagen,
    eine bilaterale turkisch-armenische Historikerkommission
    einzurichten.

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