http://www.dw-world.de/dw/article/0,1564,1618556,0 0.html
Berg-Karabach wünscht sich völkerrechtliche Anerkennung
Die armenische Regierung unter Präsident Kocharian unterstützt Karabach
politisch und finanziell
In der Armenier-Enklave Berg-Karabach finden am Sonntag (19.6.)
Parlamentswahlen statt.
Viel mehr als einen Wahlsieg wünschen sich Politiker jedoch die Anerkennung
als unabhängiger Staat.
In Berg-Karabach Politiker zu sein, hat etwas Tragisches. Seit Wochen kämpfen
die Kandidaten nun schon um die Gunst der Wähler. Doch egal wer bei den
Parlamentswahlen am kommenden Sonntag (19.6.) die Mehrheit gewinnt - ein
wirklicher Sieg wird es nicht. Außenminister Arman Melikian beschreibt, was sich sowohl
die Politiker als auch die Bürger von Berg-Karabach viel dringlicher
wünschen: "Berg-Karabach muss von der internationalen Gemeinschaft als unabhängiger
Staat anerkannt werden."
Umstrittener Status
Im Dezember 1991 fand in Berg-Karabach ein Referendum statt. Die Bevölkerung
entschied sich mehrheitlich für die Unabhängigkeit ihres Staates.Dennoch ist
der Status von Berg-Karabach bis heute umstritten. Denn die rund 12.000
Quadratkilometer kleine Kaukasusregion wird zwar seit je her überwiegend von
Armeniern bewohnt. Aber sie liegt als Enklave umschlossen vom Staatsgebiet
Aserbaidschans. Während der Sowjetunion war das Gebiet auch als autonome Region
offiziell Aserbaidschan untergeordnet. Genau das ist der Grund, warum Aserbaidschan
Berg-Karabach bis heute als Teil seines Territoriums beansprucht. Und weil die
Region in der Tat niemals ein eigenständiges Staatsgebilde darstellte,weder in
der Sowjetunion noch davor, erkennt auch die internationale Gemeinschaft die
Unabhängigkeit Berg-Karabachs nicht an. Doch damit wollen sich die
Berg-Karabacher nicht abfinden. Außenminister Melikian betont: "Wir haben unsere Wahl
1991 getroffen. Wir hatten ein Referendum. Wir wählten die Unabhängigkeit. Und da
machen wir weiter. Wir bauen unser Land auf, wir bauen unseren Staat auf."
Nie wieder Enklave
Trotz der Weigerung Aserbaidschans, die Eigenständigkeit anzuerkennen,
bestimmt in Berg-Karabach die von der armenischen Mehrheit gebildete, eigenständige
Regierung die Politik. Und das hat militärische Gründe. 1988 kam es in
Aserbaidschan zu pogromartigen Ausschreitungen gegen Armenier. Kurze Zeit später
sogar zum Krieg. Die Armenier gewannen den Krieg und halten Berg-Karabach und die
angrenzenden Gebiete seither besetzt. Der stellvertretende Außenminister Masis
Mailian erklärt: "Seit 1988 sind wir de facto unabhängig von Aserbaidschan.
Und wir werden nie wieder zu einer Enklave werden. Nach den Ereignissen von
1988 wissen wir, was es bedeutet, eine Enklave zu sein. Wir wurden von allen
Seiten blockiert. Es war Krieg. Bomben fielen. Wir hatten nichts zu essen, kein
Wasser, keine Elektrizität. Viele Leute wurden umgebracht. Auch heute noch hören
wir von Aserbaidschan, dass sie uns bekämpfen wollen, wenn wir nicht
nachgeben. Wie können die da glauben, dass wir Aserbaidschans Staatsbürger werden
wollen?"
Abhängigkeit von Armenien
Dennoch fehlt der Regierung bis heute die völkerrechtliche Legitimität. Mit
der Anerkennung der internationalen Gemeinschaft würde sich dies ändern. Und es
gibt noch einen weiteren Grund, warum die Armenier Berg-Karabach endlich als
einen eigenständigen Staat akzeptiert sehen wollen. Die Region lebt derzeit
wirtschaftlich und politisch vollkommen von der Unterstützung des Mutterlandes
Armenien. Armenien gewährt dem nicht anerkannten Staat regelmäßig Kredite.
Darüber hinaus übernimmt die armenische Regierung die diplomatische Vertretung
Berg-Karabachs im Ausland. Sie stellt den Bürgern der Region beispielsweise die
Pässe aus, die sie für Reisen benötigen. Bei den Verhandlungen mit
Aserbaidschan bezüglich der Konfliktregion sind die Vertreter Berg-Karabachs ebenfalls
nicht anwesend. Der armenische Außenminister Vartan Oskanian: "Armenien ist nur
an den Verhandlungen beteiligt, weil die aserbaidschanische Regierung es
ablehnt, dass Berg-Karabach beteiligt ist. Ansonsten hätte Armenien damit nichts zu
tun. Wir können Teil des Prozess sein, um zu helfen. Aber es ist klar,dass
irgendwann die Regierung von Berg-Karabach den Vereinbarungen zustimmen muss. Je
früher sie an den Gesprächen beteiligt wird, desto besser."
Die Unterstützung hat für Armenien Folgen. Aserbaidschan betrachtet jeden,
der der Regierung von Berg-Karabach hilft, als Feind und versucht Armenien daher
seit Jahren zu isolieren. Die Türkei, die sich als aserbaidschanische
Brudernation sieht, ist dem Aufruf zum Boykott gefolgt. Sie hat den Grenzübergang
zwischen Armenien und der Türkei gesperrt.
Armenien: Karabach muss mitreden können
Armenien will sich dem Druck Aserbaidschans und der Türkei nicht beugen.
Dennoch wäre die Regierung mittlerweile froh, das Problem Berg-Karabach mit dem
Rest der Welt zu teilen. Außenminister Wartan Oskanian: "Armenien wird die
Gespräche weiterführen. Aber wenn eine Vereinbarung näher rückt, müssen die
Karabacher mitreden können. Denn wenn sie nicht von Anfang bei dem Prozess beteiligt
sind, sondern zu einem späteren Zeitpunkt dazu kommen, dann wird es
problematischer. Eine friedliche Lösung muss auf Kompromissen basieren. Es gibt
verschiedene Meinungen darüber, was diese Kompromisse sein könnten. Und je früher sie
bei dieser Kompromissfindung einbezogen werden, desto besser ist es. "
Barbara Minderjahn
DW-RADIO, 16.6.2005, Fokus Ost-Südost
Berg-Karabach wünscht sich völkerrechtliche Anerkennung
Die armenische Regierung unter Präsident Kocharian unterstützt Karabach
politisch und finanziell
In der Armenier-Enklave Berg-Karabach finden am Sonntag (19.6.)
Parlamentswahlen statt.
Viel mehr als einen Wahlsieg wünschen sich Politiker jedoch die Anerkennung
als unabhängiger Staat.
In Berg-Karabach Politiker zu sein, hat etwas Tragisches. Seit Wochen kämpfen
die Kandidaten nun schon um die Gunst der Wähler. Doch egal wer bei den
Parlamentswahlen am kommenden Sonntag (19.6.) die Mehrheit gewinnt - ein
wirklicher Sieg wird es nicht. Außenminister Arman Melikian beschreibt, was sich sowohl
die Politiker als auch die Bürger von Berg-Karabach viel dringlicher
wünschen: "Berg-Karabach muss von der internationalen Gemeinschaft als unabhängiger
Staat anerkannt werden."
Umstrittener Status
Im Dezember 1991 fand in Berg-Karabach ein Referendum statt. Die Bevölkerung
entschied sich mehrheitlich für die Unabhängigkeit ihres Staates.Dennoch ist
der Status von Berg-Karabach bis heute umstritten. Denn die rund 12.000
Quadratkilometer kleine Kaukasusregion wird zwar seit je her überwiegend von
Armeniern bewohnt. Aber sie liegt als Enklave umschlossen vom Staatsgebiet
Aserbaidschans. Während der Sowjetunion war das Gebiet auch als autonome Region
offiziell Aserbaidschan untergeordnet. Genau das ist der Grund, warum Aserbaidschan
Berg-Karabach bis heute als Teil seines Territoriums beansprucht. Und weil die
Region in der Tat niemals ein eigenständiges Staatsgebilde darstellte,weder in
der Sowjetunion noch davor, erkennt auch die internationale Gemeinschaft die
Unabhängigkeit Berg-Karabachs nicht an. Doch damit wollen sich die
Berg-Karabacher nicht abfinden. Außenminister Melikian betont: "Wir haben unsere Wahl
1991 getroffen. Wir hatten ein Referendum. Wir wählten die Unabhängigkeit. Und da
machen wir weiter. Wir bauen unser Land auf, wir bauen unseren Staat auf."
Nie wieder Enklave
Trotz der Weigerung Aserbaidschans, die Eigenständigkeit anzuerkennen,
bestimmt in Berg-Karabach die von der armenischen Mehrheit gebildete, eigenständige
Regierung die Politik. Und das hat militärische Gründe. 1988 kam es in
Aserbaidschan zu pogromartigen Ausschreitungen gegen Armenier. Kurze Zeit später
sogar zum Krieg. Die Armenier gewannen den Krieg und halten Berg-Karabach und die
angrenzenden Gebiete seither besetzt. Der stellvertretende Außenminister Masis
Mailian erklärt: "Seit 1988 sind wir de facto unabhängig von Aserbaidschan.
Und wir werden nie wieder zu einer Enklave werden. Nach den Ereignissen von
1988 wissen wir, was es bedeutet, eine Enklave zu sein. Wir wurden von allen
Seiten blockiert. Es war Krieg. Bomben fielen. Wir hatten nichts zu essen, kein
Wasser, keine Elektrizität. Viele Leute wurden umgebracht. Auch heute noch hören
wir von Aserbaidschan, dass sie uns bekämpfen wollen, wenn wir nicht
nachgeben. Wie können die da glauben, dass wir Aserbaidschans Staatsbürger werden
wollen?"
Abhängigkeit von Armenien
Dennoch fehlt der Regierung bis heute die völkerrechtliche Legitimität. Mit
der Anerkennung der internationalen Gemeinschaft würde sich dies ändern. Und es
gibt noch einen weiteren Grund, warum die Armenier Berg-Karabach endlich als
einen eigenständigen Staat akzeptiert sehen wollen. Die Region lebt derzeit
wirtschaftlich und politisch vollkommen von der Unterstützung des Mutterlandes
Armenien. Armenien gewährt dem nicht anerkannten Staat regelmäßig Kredite.
Darüber hinaus übernimmt die armenische Regierung die diplomatische Vertretung
Berg-Karabachs im Ausland. Sie stellt den Bürgern der Region beispielsweise die
Pässe aus, die sie für Reisen benötigen. Bei den Verhandlungen mit
Aserbaidschan bezüglich der Konfliktregion sind die Vertreter Berg-Karabachs ebenfalls
nicht anwesend. Der armenische Außenminister Vartan Oskanian: "Armenien ist nur
an den Verhandlungen beteiligt, weil die aserbaidschanische Regierung es
ablehnt, dass Berg-Karabach beteiligt ist. Ansonsten hätte Armenien damit nichts zu
tun. Wir können Teil des Prozess sein, um zu helfen. Aber es ist klar,dass
irgendwann die Regierung von Berg-Karabach den Vereinbarungen zustimmen muss. Je
früher sie an den Gesprächen beteiligt wird, desto besser."
Die Unterstützung hat für Armenien Folgen. Aserbaidschan betrachtet jeden,
der der Regierung von Berg-Karabach hilft, als Feind und versucht Armenien daher
seit Jahren zu isolieren. Die Türkei, die sich als aserbaidschanische
Brudernation sieht, ist dem Aufruf zum Boykott gefolgt. Sie hat den Grenzübergang
zwischen Armenien und der Türkei gesperrt.
Armenien: Karabach muss mitreden können
Armenien will sich dem Druck Aserbaidschans und der Türkei nicht beugen.
Dennoch wäre die Regierung mittlerweile froh, das Problem Berg-Karabach mit dem
Rest der Welt zu teilen. Außenminister Wartan Oskanian: "Armenien wird die
Gespräche weiterführen. Aber wenn eine Vereinbarung näher rückt, müssen die
Karabacher mitreden können. Denn wenn sie nicht von Anfang bei dem Prozess beteiligt
sind, sondern zu einem späteren Zeitpunkt dazu kommen, dann wird es
problematischer. Eine friedliche Lösung muss auf Kompromissen basieren. Es gibt
verschiedene Meinungen darüber, was diese Kompromisse sein könnten. Und je früher sie
bei dieser Kompromissfindung einbezogen werden, desto besser ist es. "
Barbara Minderjahn
DW-RADIO, 16.6.2005, Fokus Ost-Südost