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Programmieren in Armenien

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    Die Welt
    25 juni 2005

    Programmieren in Armenien

    Frankreichs Firmen verlagern Mitarbeiter in Billiglohnländer

    von Gesche Wüpper


    Paris - Firmenchefs in Frankreich haben eine neue Betätigung für sich
    entdeckt. Als Reiseveranstalter wollen sie ihren Mitarbeitern zu
    Aufenthalten in exotischen Destinationen verhelfen. Völlig selbstlos,
    versteht sich. Im Rahmen von Restrukturierungsplänen bieten sie ihren
    Mitarbeitern die Weiterbeschäftigung in Billiglohnländern an, zum
    ortsüblichen Gehalt. Jüngstes Beispiel ist Lycos France.


    Vor kurzem kündigte der Internetanbieter einen Restrukturierungsplan
    an: Die Geschäftsführung kündigte 75 der 109 Angestellten in
    Frankreich, bot aber gleichzeitig 34 von ihnen eine
    Weiterbeschäftigung in Armenien an. Betroffen sind nach
    Gewerkschaftsangaben Programmierer, die in Frankreich auf ein
    Monatsgehalt von 2000 bis 3500 Euro kommen. In der ehemaligen
    Sowjetrepublik können sie nun auf den landesüblichen Lohn von 300 bis
    500 Euro pro Monat hoffen. Der dem Betriebsrat vorgelegte Plan sei
    falsch interpretiert worden, rechtfertigt sich nun die
    Geschäftsführung. Nähere Angaben machte sie nicht.


    Lycos Frankreich ist nicht das erste Unternehmen, das in dieser Form
    Arbeitsplätze von Frankreich in Billiglohnländer verlagert. Anfang
    April hatte Sem Suhner, ein auf die Herstellung von elektronischen
    Spulen spezialisierter Mittelständler aus dem Elsaß, neun
    Mitarbeitern gekündigt und ihnen einen neue Beschäftigung in Rumänien
    angeboten - für 110 Euro im Monat. "In unserem Bereich konkurrieren
    mit uns Länder aus dem Osten und Asien, mit Kosten, die außer
    Konkurrenz stehen", hatte sich Unternehmens-Chef Michael White
    gerechtfertigt.


    Max Sauer, ein bretonischer Pinsel-Produzent, bot 29 Angestellten die
    Weiterbeschäftigung auf der Insel Mauritius an, für ein Monatsgehalt
    von 117 Euro. Socapex de Dole im ostfranzösischen Jura offerierte
    seinen Mitarbeitern Posten in Mexiko oder China zu einem Stundenlohn
    von zwei Euro, einen kostenlosen Heimflug pro Jahr inbegriffen.


    Erst im vergangenen Jahr hatten die sogenannten Ganoven-Chefs in
    Frankreich für Aufsehen erregt. Sie hatten den Produktionsstandort
    auch ins Ausland verlegt, allerdings ohne die Mitarbeiter zu
    informieren. In einer Nacht- und Nebelaktion hatten sie
    Produktionsmaschinen abtransportieren lassen, so daß die Mitarbeiter
    morgens vor leeren Fabriken standen.


    Das sei menschenunwürdig und skandalös, empören sich französische
    Politiker nun über die Stellenangebote von Lycos und Co. Dabei können
    die Unternehmen arbeitsrechtlich noch nicht einmal belangt werden.
    "Ein Arbeitgeber, der eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht
    zieht, hat die Verpflichtung, nach einer Weiterbeschäftigung
    innerhalb des Unternehmens oder der Gruppe zu suchen ohne
    geographische Begrenzung", sagt der auf Arbeitsrecht spezialisierte
    Anwalt Henri-José Legrand. Das sei nicht nur zulässig, sondern sogar
    vorgeschrieben, wenn es keine andere Lösung gebe.


    Im April 1995 hatte das oberste Gericht zwei dafür entscheidende
    Urteile gefällt. Die Arbeitgeber würden ihren Mitarbeitern die
    Weiterbeschäftigung in Billiglohnländern nicht aus Zynismus
    vorschlagen, meint auch der Arbeitsrechtler Gilles Bélier: "Sie
    werden von der Gesetzgebung dazu gezwungen."
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