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    Türkei: Nationalistische Kampagne des Militärs verdeckt Widerannäherung an USA

    http://www.wsws.org/de/2005/mai2005/trk-m03.shtml


    Von Justus Leicht
    3. Mai 2005

    In der Türkei hat sich in den letzten sechs Wochen eine Woge des
    Chauvinismus ausgebreitet, der sich vordergründig gegen die Kurden,
    in Wirklichkeit aber gegen die gemäßigt islamistische Regierung der
    AKP von Premierminister Recep Tayip Erdogan und deren Orientierung
    auf die EU richtet. Sie ist auch keineswegs eine spontane Reaktion
    breiter Schichten der Bevölkerung, sondern ein Manöver von Teilen des
    Staatsapparats, insbesondere des Militärs und der Sicherheitskräfte,
    unterstützt von organisierten faschistischen Banden.

    Auslöser war ein an sich völlig unbedeutender Zwischenfall
    während des kurdischen Neujahrsfestes Newroz im März. In der Stadt
    Mersin versuchten ein paar kurdische Halbwüchsige am Rande einer
    Demonstration, eine türkische Fahne zu verbrennen. Weder hatten sie
    dabei Unterstützung von anderen Demonstranten, noch hatten sie Erfolg,
    bevor sie von der Polizei verhaftet wurden.

    Der Vorfall blieb von der Öffentlichkeit unbemerkt, bis der
    Generalstab der Armee zwei Tage später in einer scharfen Erklärung
    den jugendlichen Vandalismus als "Verrat" von "sogenannten Bürgern"
    brandmarkte. Die Armee sei bereit, "den letzten Tropfen Blut zu
    vergießen, um das Land und seine Fahne zu schützen", hieß
    es weiter. Daraufhin verurteilte auch Staatspräsident Sezer
    den Vorfall. Sogar das Rektorat der Istanbuler Universität
    erklärte in Zeitungsinseraten seine "Abscheu". Alle bekannten
    kurdisch-nationalistischen Politiker distanzierten sich von der Aktion,
    es half nichts.

    Das Land wurde in ein regelrechtes Meer türkischer Fahnen getaucht,
    die nun an allen Geschäften, öffentlichen Plätzen und Gebäuden
    hängen mussten. Gruppen faschistischer Grauer Wölfe zogen
    pöbelnd durch die Straßen, die Medien entfachten eine regelrechte
    Pogromstimmung gegen die Kurden.

    Etwa zur selben Zeit sah sich auch der weltbekannte türkische
    Schriftsteller Orhan Pamuk einer Kampagne von Medien und Politikern
    ausgesetzt, weil er in einem Interview über sein neues Buch "Schnee"
    bemerkt hatte, dass "in der Türkei eine Million Armenier [Anfang
    des 20. Jahrhunderts] und in den 90er Jahren 30.000 Kurden umgebracht
    worden sind". Mehrere Regionalpolitiker riefen dazu auf, seine Bücher
    zu verbrennen. Pamuk erhielt wegen seiner Bemerkung eine Strafanzeige,
    Zeitungen beschimpften ihn als "Verräter", wegen zahlreicher
    Morddrohungen traute er sich nicht mehr in die Öffentlichkeit.

    Im April fanden dann in verschiedenen Städten, vor allem im
    überwiegend von Alewiten bewohnten Istanbuler Stadtteil Gazi und der
    nordanatolischen Stadt Trabzon, tätliche Angriffe rechtsradikaler
    Gruppen auf Linke statt, wobei mindestens einer, der Alewit Esat
    Atmaca, von den Ultranationalisten getötet und viele weitere verletzt
    wurden. In mehreren Städten kam es zu Übergriffen von Mobs gegen
    Unterstützer der TAYAD, einer Organisation von Angehörigen linker
    politischer Gefangener, die meist in Isolationshaft sitzen. In allen
    Fällen wurden die TAYAD-Unterstützer, die nichts anderes taten,
    als legale Flugblätter zu verteilen, zusammengeschlagen und von
    der Polizei nur knapp vor einem Lynchmord bewahrt. Allerdings nahm
    die Polizei im Anschluss stets die Opfer der Gewalt in Gewahrsam,
    weil sie "die Öffentlichkeit provoziert" hätten.

    Vor zehn Tagen schließlich legten das Militär und seine Verbündeten
    noch einmal nach. In einer Rede vor einer Militärakademie
    beschäftigte sich Generalstabschef Hilmi Özkök kaum mit der
    Situation der Armee und der Sicherheitspolitik, sondern ging der Reihe
    nach alle aktuellen Themen der Innen- und Außenpolitik durch, wobei
    er sich praktisch in jedem Punkt in scharfen Gegensatz zur gewählten
    Regierung stellte.

    Die Türkei sei weder ein gemäßigt islamischer Staat noch ein
    islamisches Land, betonte er und warnte, das "türkische Volk" werde
    jeden Versuch verhindern, das Land in eine derartige Richtung zu
    führen. Ähnliche Töne hatte es auch 1997 beim Sturz der Regierung
    Erbakan gegeben. Weiter schloss er jedes Zugeständnis an Griechenland
    in der Ägäis und in der Zypern-Frage aus. Zypern sei immer noch von
    hoher strategischer Bedeutung, weshalb auch türkische Truppen dort
    bleiben müssten. Schließlich unterhalte deshalb auch Großbritannien
    immer noch eine Militärbasis auf Zypern.

    Auch gegenüber Armenien verlangte der Armeechef eine harte
    Haltung. Armenien müsse sich erst einmal an internationales Recht und
    die Prinzipien guter Nachbarschaft halten. Die Türkei wirft Armenien
    vor, es halte Nagorny-Karabach, eine überwiegend von Armeniern
    bewohnte Enklave in Aserbaidschan, sowie einen Korridor von dort nach
    Armenien völkerrechtswidrig besetzt. Ankara macht die "Rückgabe"
    aller ehemals aserbaidschanischen Gebiete an die Nachbarrepublik
    traditionell zur Vorbedingung der Aufnahme diplomatischer Beziehungen
    mit Armenien. Des Weiteren solle Armenien darauf verzichten, die
    Anerkennung des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich
    1915 zu fordern. General Özkök leugnete in seiner Rede noch einmal
    ganz ausdrücklich, dass ein Völkermord stattgefunden habe.

    Erdogan, der den Völkermord selbst ebenfalls leugnet, hat dazu
    vorgeschlagen, vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen eine
    gemeinsame Historikerkommission einzusetzen, um die "geschichtliche
    Wahrheit herauszufinden". Dieser von einigen westlichen Regierungen
    als Geste der Versöhnung gefeierte Vorschlag ist in Wirklichkeit ein
    Affront gegen Armenien. Die armenische Regierung hält es, wie auch
    fast alle seriösen Historiker, für erwiesen, dass die Ereignisse
    von 1915 einen Völkermord darstellen. Sie will zuerst die Aufnahme
    diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen diskutieren. In
    jüngster Zeit hat Erdogan angedeutet, politische Beziehungen
    könnten möglicherweise auch unabhängig von und neben der Arbeit
    einer Historikerkommission hergestellt werden, eine Haltung, die von
    der von General Özkök vorgegebenen harten Linie abzuweichen scheint.

    Dieser widmete sich auch ausführlich der Kurdenfrage. Die Aktivitäten
    der PKK hätten in letzter Zeit drastisch zugenommen, erklärte der
    Armeechef, und beklagte, die EU betätige sich als Mittler für die
    PKK. Eine EU-Mitgliedschaft sei "kein Segen" und es sei "nicht das
    Ende der Welt", wenn die Türkei kein EU-Mitglied werde.

    Von den USA verlangte Özkök ein schärferes Vorgehen gegen die PKK,
    die sich größtenteils im Nordirak aufhält. Außerdem warnte der
    General, dass die nordirakische Stadt Kirkuk "kurz vor der Explosion"
    stünde. Kirkuk, wo bis zu 25 Prozent des irakischen Öls liegen,
    wird von den kurdischen Nationalisten als Hauptstadt einer autonomen
    Kurdenregion oder eines künftigen kurdischen Staates beansprucht. Sie
    haben unter den Augen der amerikanischen Besatzer systematisch Kurden
    aus dem übrigen Irak in Kirkuk angesiedelt, wo auch viele Turkmenen
    und Araber leben. Angeblich handelt es sich bei den Neuankömmlingen
    ausschließlich um Kurden, die unter dem Baath-Regime aus der Stadt
    vertrieben wurden. Inwieweit das tatsächlich der Fall ist, lässt
    sich schwer nachprüfen.

    Hintergrund ist, dass sowohl die Entwicklung im Nahen und Mittleren
    Osten als auch in Europa die Politik der türkischen Regierung in
    eine Krise geworfen hat.

    Seit das türkische Parlament der US-Armee am 1. März 2003 die Nutzung
    türkischer Basen für den Aufmarsch gegen den Irak verweigerte, hat
    sich Erdogan nach Kräften bemüht, das Verhältnis zu den USA wieder
    zu verbessern. Das aggressive Vorgehen der Regierung Bush und auch der
    Regierung Scharon haben allerdings gerade in seiner eigenen Partei-
    und Wählerbasis viel Unmut ausgelöst, der durch die Drohungen der
    USA gegenüber Iran und Syrien noch verstärkt worden ist.

    Und während Erdogan seine politische Zukunft mit der EU-Mitgliedschaft
    verbunden hat, ist die EU-Begeisterung deutlich abgeflaut,
    seit der EU-Gipfel vom 17. Dezember der Türkei den Beginn von
    Beitrittsverhandlungen am Ende dieses Jahres in Aussicht gestellt
    hat. Insbesondere die französische Entscheidung, über einen
    türkischen Beitritt per Referendum zu entscheiden, hat in der Türkei
    den Eindruck erweckt, die EU fordere zwar viel, meine es aber am
    Schluss doch nicht ernst mit einer Mitgliedschaft. Die französische
    Nationalversammlung hatte Ende Februar eine als "Türken-Artikel"
    bekannte gewordene Verfassungsänderung verabschiedet, gemäß
    der in Zukunft jede neue Erweiterung der Europäischen Union den
    französischen Wahlberechtigten in einem Referendum zur Zustimmung
    unterbreitet werden muss.

    In Deutschland haben sich CDU und CSU, die möglicherweise schon
    ein einem Jahr die Regierung übernehmen, vehement gegen eine
    EU-Mitgliedschaft der Türkei ausgesprochen. Auch die Verschiebung
    des Beitritts von Kroatien und die Diskussion über die Ukraine,
    deren Beitrittswunsch gegenwärtig zurückgewiesen wird, ist
    in der Türkei aufmerksam registriert worden. Die Enttäuschung
    darüber, die mit der Unzufriedenheit über die Folgen des liberalen
    Wirtschaftsprogramms der AKP-Regierung einhergeht, versuchen nun extrem
    rechte Kräfte zu nutzen, um die Regierung zu destabilisieren. Mehr
    als ein Dutzend Abgeordnete haben innerhalb der letzten drei Monate
    die Parlamentsfraktion der Regierung verlassen. Meist sind sie zu
    anderen rechten Parteien gewechselt.

    Ein Alarmsignal für die Militärs sind die Entwicklungen im
    Irak. Die Türkei gehört zu den Ländern, die das Ergebnis der
    irakischen Wahlen vom 30. Januar kritisiert haben. Diese haben zu
    einer deutlichen Stärkung der kurdischen Nationalisten und der
    schiitischen religiösen Parteien geführt. Beides liegt nicht in
    Ankaras Interesse. Wenn Kirkuk tatsächlich unter kurdische Kontrolle
    geriete, könnte dies zur Basis für einen kurdischen Staat werden,
    der womöglich auch separatistischen Tendenzen in den Nachbarstaaten
    Auftrieb verleihen würde.

    Für Aufregung haben in Ankara auch zwei Artikel amerikanischer Autoren
    im Frühjahr gesorgt. Der eine von Robert Pollock wurde im Februar
    im Wall Street Journal unter dem Titel "The sick man of Europe -
    again" ("Erneut der kranke Mann Europas") veröffentlicht. Er griff
    die Türkei in sehr scharfer Form wegen eines dort herrschenden
    "Anti-Amerikanismus" an. Den anderen hat Michael Rubin, ehemaligem
    Berater der Bush-Regierung, für verschiedene rechte Think tanks
    geschrieben. Er warnt, wenn die Türkei sich nicht kooperativer
    zeige, würden die USA möglicherweise in irakisch Kurdistan eine
    Militärbasis errichten.

    Die PKK, die in den letzten fünf Jahren alles getan hat, um sich
    von ihrer militanten Vergangenheit abzugrenzen und sich gegenüber
    der Türkei als staatstragende Kraft darzustellen, hat Anzeichen
    einer neuen Radikalisierung erkennen lassen. So hat sie erst vor
    wenigen Wochen wieder ihren alten Namen angenommen. Ihr Führer, der
    inhaftierte Abdullah Öcalan, hat ein Konzept des "Demokratischen
    Konföderalismus" entwickelt, das die Kurden der ganzen Region
    einschließen soll - in der Türkei, Irak, Iran und Syrien. Die PKK
    behauptet, die türkische Armee habe in den letzten Wochen groß
    angelegte Operationen gegen ihre Guerillakämpfer durchgeführt.

    Die Generäle fürchten offenbar, die Diskussion über den Völkermord
    an den Armeniern, das Pochen der EU auf mehr Rechte für die Kurden und
    die Lage im Irak würden dazu führen, dass die ungelöste Frage der
    unterdrückten Nationalitäten wieder aufbricht, die nationalistische
    Staatsideologie des Kemalismus in Frage gestellt und der türkische
    Staat destabilisiert wird.

    Dem soll durch eine Stärkung des Nationalismus im Innern und eine
    engere Anbindung an die USA und Israel begegnet werden. Während
    eines Besuchs von Erdogan in Israel am vergangenen Wochenende
    haben Ankara und Tel Aviv eine engere Zusammenarbeit und den
    Austausch von Geheimdienst-Informationen vereinbart. Zu diesem
    Zweck werde eine direkte Telefonverbindung zwischen den Büros
    der beiden Regierungschefs eingerichtet, erklärten der israelische
    Ministerpräsident und sein türkischer Amtskollege nach einem Treffen
    in Jerusalem.

    Außerdem sollen die beiden Länder anlässlich des Besuchs
    Rüstungsverträge im Umfang von 400 bis 500 Millionen Dollar
    geschlossen haben. Damit sollen türkische Kampfflugzeuge modernisiert
    werden. Im April war bereits ein Vertrag über die Lieferung von
    Spionagedrohnen und anderer Aufklärungstechnologie abgeschlossen
    worden.

    Mit den USA schloss die Türkei vor einer Woche einen Vertrag
    im Volumen von 1,1 Mrd. Dollar über die Modernisierung von 117
    Kampfflugzeugen vom Typ F-16. Außerdem verlängerte die türkische
    Regierung das Abkommen über die Nutzung des Luftwaffenstützpunkts
    Incirlik durch die USA. Beides hatte sie absichtlich auf einen Termin
    gelegt, der wenige Tage nach dem 24. April liegt. Sie wollte nämlich
    abwarten, ob Bush am 90. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern
    in seiner Gedenkrede das Wort "Völkermord" aussprechen würde. Er
    tat es nicht.

    Auch sonst gibt es Anzeichen, dass die USA der Türkei nun
    ebenfalls entgegenkommen. Die englischsprachige türkische Zeitung
    The New Anatolian berichtete in ihrer Ausgabe von Montag unter
    Berufung auf "hochrangige kurdische Quellen in der Regierung
    in Bagdad", die USA, insbesondere das Pentagon, übten Druck
    auf die neue irakische Regierung aus, gegen die PKK im Nordirak
    vorzugehen. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld habe dies bei
    seinem letzten Besuch im Irak verlangt.

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