Neue Zürcher Zeitung AG
Mittwoch, 4. Mai 2005
Untersuchung wegen Armeniern heftig kritisiert
Türkischer Historiker gegen die Schweiz
Kee. Istanbul, 3. Mai
Nachdem die Staatsanwaltschaft in Winterthur aufgrund einer Anzeige
eine Voruntersuchung gegen den Vorsitzenden der Türkischen
Gesellschaft für Geschichte, Yusuf Halacoglu, eingeleitet hatte, ist
die Schweiz ins Schussfeld türkischer Medien geraten. Auch eine
Falschmeldung trug dazu bei, das Bild eines zu Unrecht verfolgten
Wissenschafters aufzubauen. Yusuf Halacoglu hatte genau vor einem
Jahr auf einer von der Föderation der türkischen Vereine in der
Schweiz organisierten Veranstaltung in Winterthur gesprochen. Dabei
vertrat er die offizielle Geschichtsthese der Türkei, dass es im
Ersten Weltkrieg keinen Völkermord an den armenischen Bürgern des
Osmanischen Reiches gegeben habe. Halacoglu äussert diese These in
einer besonders zugespitzten Form, so hat er jüngst in Istanbul
behauptet, eine halbe Million Muslime seien von Armeniern ermordet
worden.
Wegen der Leugnung des Völkermordes wurde er in Winterthur angezeigt,
und die Staatsanwaltschaft leitete eine Voruntersuchung ein. Um auch
eine Stellungnahme des Beschuldigten einholen zu können, fragten die
Schweizer Behörden über Interpol die Adresse des Beschuldigten ab.
Der Schweizer Botschafter in Ankara unterrichtete überdies letzte
Woche das türkische Aussenministerium. Am Sonntag brachten dann die
beiden türkischen Massenzeitungen «Hürriyet» und «Milliyet» gross
heraus, Halacoglu werde von der Schweiz über Interpol steckbrieflich
gesucht und solle verhaftet werden. Die «Milliyet» titelte auf der
Frontseite «Vollstreckung ohne Richter» und im Innenteil «Verhaftung
für Gedanken». Am Montag legten die Zeitungen noch einmal in diesem
Tone und in grosser Aufmachung nach. Die am Sonntag nach Angaben der
Botschaft «spät» an die Zeitungen gesandte Richtigstellung der
Schweizer Botschaft fand am Dienstag schliesslich Eingang in die
Berichterstattung. Doch von einer Entschuldigung für eine
Falschmeldung keine Spur. Stattdessen erweckte die «Milliyet» den
Eindruck, als habe sie mit ihrer mutigen Berichterstattung die
Schweiz zum Rückzug bewegt. Halacoglu selbst ging in mehreren
Zeitungen zum Gegenangriff über. «Man versucht die Türkei in der
Person Yusuf Halacoglu abzuurteilen», meinte Halacoglu und
bescheinigte der Schweiz einen «mittelalterlichen Geist» und dass sie
der Demokratie in Europa einen Schlag versetzt habe. Halacoglu
erklärte auch, dass er nicht vorhabe, sich zu verteidigen.
Der Völkermord-Vorwurf wurde bisher von den Parlamenten von 15
Staaten, darunter die Schweiz und Frankreich, sowie vom
Europaparlament anerkannt. In Deutschland wird eine entsprechende
Entscheidung in Kürze erwartet. Das türkische Parlament hat während
einer Aussprache am 13. April dagegen die eigene These bekräftigt.
Gegen den türkischen Romancier Orhan Pamuk ist in der Türkei ein
Verfahren anhängig, weil er in einem Interview mit dem Schweizer
«Tages-Anzeiger» unter anderem die Völkermord-These unterstützt hat.
Deshalb wurde die Türkei in der Schweiz und in anderen Ländern in den
letzten Wochen wiederholt kritisiert.
--Boundary_(ID_cCja73CgSqe5IVZjcD7FeQ)--
From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress
Mittwoch, 4. Mai 2005
Untersuchung wegen Armeniern heftig kritisiert
Türkischer Historiker gegen die Schweiz
Kee. Istanbul, 3. Mai
Nachdem die Staatsanwaltschaft in Winterthur aufgrund einer Anzeige
eine Voruntersuchung gegen den Vorsitzenden der Türkischen
Gesellschaft für Geschichte, Yusuf Halacoglu, eingeleitet hatte, ist
die Schweiz ins Schussfeld türkischer Medien geraten. Auch eine
Falschmeldung trug dazu bei, das Bild eines zu Unrecht verfolgten
Wissenschafters aufzubauen. Yusuf Halacoglu hatte genau vor einem
Jahr auf einer von der Föderation der türkischen Vereine in der
Schweiz organisierten Veranstaltung in Winterthur gesprochen. Dabei
vertrat er die offizielle Geschichtsthese der Türkei, dass es im
Ersten Weltkrieg keinen Völkermord an den armenischen Bürgern des
Osmanischen Reiches gegeben habe. Halacoglu äussert diese These in
einer besonders zugespitzten Form, so hat er jüngst in Istanbul
behauptet, eine halbe Million Muslime seien von Armeniern ermordet
worden.
Wegen der Leugnung des Völkermordes wurde er in Winterthur angezeigt,
und die Staatsanwaltschaft leitete eine Voruntersuchung ein. Um auch
eine Stellungnahme des Beschuldigten einholen zu können, fragten die
Schweizer Behörden über Interpol die Adresse des Beschuldigten ab.
Der Schweizer Botschafter in Ankara unterrichtete überdies letzte
Woche das türkische Aussenministerium. Am Sonntag brachten dann die
beiden türkischen Massenzeitungen «Hürriyet» und «Milliyet» gross
heraus, Halacoglu werde von der Schweiz über Interpol steckbrieflich
gesucht und solle verhaftet werden. Die «Milliyet» titelte auf der
Frontseite «Vollstreckung ohne Richter» und im Innenteil «Verhaftung
für Gedanken». Am Montag legten die Zeitungen noch einmal in diesem
Tone und in grosser Aufmachung nach. Die am Sonntag nach Angaben der
Botschaft «spät» an die Zeitungen gesandte Richtigstellung der
Schweizer Botschaft fand am Dienstag schliesslich Eingang in die
Berichterstattung. Doch von einer Entschuldigung für eine
Falschmeldung keine Spur. Stattdessen erweckte die «Milliyet» den
Eindruck, als habe sie mit ihrer mutigen Berichterstattung die
Schweiz zum Rückzug bewegt. Halacoglu selbst ging in mehreren
Zeitungen zum Gegenangriff über. «Man versucht die Türkei in der
Person Yusuf Halacoglu abzuurteilen», meinte Halacoglu und
bescheinigte der Schweiz einen «mittelalterlichen Geist» und dass sie
der Demokratie in Europa einen Schlag versetzt habe. Halacoglu
erklärte auch, dass er nicht vorhabe, sich zu verteidigen.
Der Völkermord-Vorwurf wurde bisher von den Parlamenten von 15
Staaten, darunter die Schweiz und Frankreich, sowie vom
Europaparlament anerkannt. In Deutschland wird eine entsprechende
Entscheidung in Kürze erwartet. Das türkische Parlament hat während
einer Aussprache am 13. April dagegen die eigene These bekräftigt.
Gegen den türkischen Romancier Orhan Pamuk ist in der Türkei ein
Verfahren anhängig, weil er in einem Interview mit dem Schweizer
«Tages-Anzeiger» unter anderem die Völkermord-These unterstützt hat.
Deshalb wurde die Türkei in der Schweiz und in anderen Ländern in den
letzten Wochen wiederholt kritisiert.
--Boundary_(ID_cCja73CgSqe5IVZjcD7FeQ)--
From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress