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    Stuttgarter Nachrichten
    Mittwoch 04 Mai 2005

    Mit Atatürk für die Anerkennung des Völkermords

    Armenier und syrische Christen erinnern an die Massenmorde im
    Osmanischen Reich vor 90 Jahren

    Im Frühjahr 1915 wurden 800 000 bis 1,6 Millionen Armenier sowie
    syrische Christen im Osmanischen Reich ermordet. Mit einem
    Gottesdienst gedenken am Samstag, 7. Mai, die Armenisch-Apostolische
    Kirche, die Syrisch-Orthodoxe und die Evangelische Landeskirche der
    Opfer.

    VON GÖTZ SCHULTHEISS

    "Wir wollen zeigen, dass wir eine Kirche sind und mit den rund 4500
    armenischen Christen in Baden-Württemberg leben und leiden", sagt
    Oberkirchenrat Heiner Küenzlen, Leiter des Dezernats für Theologie,
    Gemeinde, Mission und Ökumene im evangelischen Oberkirchenrat über
    die Veranstaltung um 18 Uhr in der Leonhardskirche. Küenzlen verweist
    im Medienhaus in der Augustenstraße darauf, dass "entscheidende
    Stellen in Deutschland" damals Bescheid wussten, aber schwiegen, weil
    das Osmanische Reich im Ersten Weltkrieg Verbündeter des Deutschen
    Reiches war. Es sei schrecklich, dass die Türkei diesen Völkermord
    bis heute leugne.

    Benjamin Ayal, Vorsitzender der Armenischen Apostolischen Kirche in
    Baden-Württemberg, erinnerte an die Schrecken vor 90 Jahren. Seit der
    zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hätten sich europäische Staaten
    als "Schutzmächte" für die christlichen Minderheiten im Osmanischen
    Reich angeboten. Das zaristische Russland habe diese Rolle für die
    Armenier gespielt. Von armenischen Extremisten, so Ayal, seien auch
    Attentate auf osmanische Bürokraten verübt worden. Die Machtübernahme
    der Jungtürken im Jahre 1908 unter ihren Führern Enver, Cemal und
    Talat hatte die Situation verschärft. Als Gründe sieht Ayal deren
    Ideologie an - den Panturanismus, die Vorstellung eines Reiches, das
    alle Turkvölker vom Bosporus über Zentralasien bis zur Chinesischen
    Mauer umfassen sollte. Ayal: "Das Siedlungsgebiet der christlichen
    Armenier in der Gegend des Van-Sees in der Osttürkei lag genau
    dazwischen."

    1915 fürchtete die osmanische Regierung, die Armenier könnten sich
    mit der russischen Armee verbünden. Deshalb ordnete der damalige
    Innenminister Talat Pascha die Deportation der Bewohner armenischer
    Dörfer und Städte nach Deir ez-Zor in der syrischen Wüste an. Die
    Umsiedlung geriet zum Todesmarsch.

    Lob zollte Benjamin Ayal dem Gründer der Republik Türkei, Mustafa
    Kemal Atatürk. 1926 habe er in einem Interview mit einer
    amerikanischen Zeitung gesagt: "Die Kräfte, die Millionen unserer
    christlichen Landsleute ermordet haben, müssen zur Verantwortung
    gezogen werden." Von der Türkei, die kein Rechtsnachfolger des
    Osmanischen Reiches ist, erwartet Ayal, dass sie sich zur moralischen
    Schuld bekennt. Dass die jetzige Regierung einen Ausschuss aus
    türkischen und armenischen Historikern einberufen will, um die
    Vorfälle zu untersuchen, hält er für "ermutigend".

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