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Hitlers Vorbild: Enver Pascha?

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    http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=3D71741&am p;IDC=3D44

    Neues Deutschland
    12. Mai 2005

    Politisches Buch

    Hitlers Vorbild: Enver Pascha?

    Der Völkermord an den Armeniern - bis heute ungesühnt undverleugnetÂ

    Von Friedemann KlugeÂ

    Ein Mord am helllichten Tag auf der Berliner HardenbergstraÃþe, Ecke
    FasanenstraÃþe, steht am Anfang des Buches und am Ende eines der blutrünstigsten Kapitel
    der Menschheitsgeschichte, in dem zwischen 800000 und 1,4 Millionen Menschen
    ihr Leben lassen mussten. Das Berliner Mordopfer hat einen Namen, Talaat
    Pascha, und ist an entscheidender Stelle 'als unumschränkter Diktator der Türkei`
    (Hosfeld) mitverantwortlich für den Genozid an einem Volk, dessen vollständige
    Ausrottung ein offen erklärtes und beinahe erreichtes Ziel war. Es geht um den
    Massenmord der Türken an der armenischen Bevölkerung in den ersten
    Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts, und das Attentat auf Talaat ist ein sorgfältig
    und von langer Hand vorbereiteter Fememord: Eine von mehreren Hinrichtungen
    jener Täter, die der ordentlichen Gerichtsbarkeit hatten entkommen können und
    deren Namen nun auf den geheimen Abschusslisten ihrer exilarmenischen Verfolger
    stehen. Rolf Hosfeld erzählt die Geschichte dieser 'Operation Nemesis`,
    eingebettet in die Geschichte des Vernichtungsfeldzuges gegen die Armenier.
    Eine seltsame Koalition ergab sich da: Türken und Kurden, bis auf den
    heutigen Tag einander sonst eher feindlich gesinnt, machen bei der
    Armeniervernichtung gemeinsame Sache. Und es erstaunt doch, dass in der Sprache der Nazis
    ähnliche Wortwahl zu finden ist wie bei den türkischen Tätern. Was den Türken die
    Armenier waren, waren den Nazis die Juden, meint Hosfeld. Hitler habe sich Enver
    Pascha zum Vorbild erkoren.
    'Paranoia breitet sich aus, die in... präventiver Notwehr zur Rettung des
    Reiches gipfelt.` Da war die Rede von der armenischen 'Ausbeuterrasse`, die
    (1908) in der Forderung gipfelte: 'Kauft nicht bei Armeniern!` Auch andere Parolen
    kommen uns 'vertraut` vor: 'Die Türkei den Türken!` Hier wie dort werden in
    Primitivmetaphorik die Heilkräfte der Medizin bemüht: Von 'inneren Tumoren` ist
    die Rede, von denen das Land 'gesäubert` werden müsse. Was später in
    Deutschland der 'ewige Jude`, das ist dort schon damals der »ewige Armenier`. Dort das
    'GroÃþtürkische Reich`, hier das 'GroÃþdeutscheReich`. Das 'Gesetz zur
    Wiederherstellung des Berufsbeamtentums` von 1933, das 'Nichtarier` vom Ã-ffentlichen
    Dienst ausschloss, war ähnlich einer schon 1915 durch die Türken an den
    Armeniern praktizierten Gesetzgebung, und selbst Reichspogromnacht und
    Wannsee-Konferenz verfügen über modifizierte türkische Vorbilder ('Komitee zur Lösung der
    armenischen Frage`).
    Geradezu bizarr ist die Vergleichbarkeit der Genozide an Armeniern und Juden
    in ihrer Nachgeschichte. Denn nach getaner Untat ringt man sich zwar das
    Bekenntnis ab, dass es bei den Deportationen 'scheuÃþliche Taten` gegeben habe, dass
    alles dies jedoch 'ohne Wissen der Regierung` geschehen sei. Niemand hat von
    nix gewusst - wie bei uns 1945! Erschütternd, dass der deutsche Militarismus
    seine Schmutzhände auch bei diesem Völkermord schon mit im Spiel hatte: Obwohl
    man sowohl durch Reiseberichte als auch durch die hochoffiziellen Depeschen
    der deutschen Botschaft bestens im Bilde über das war, was sich im Innern der
    damaligen Türkei abspielte, griff man nicht nur nicht ein, sondern versuchte, im
    Gegenteil, mit den Mitteln der Zensur die Verbreitung der Gräuelnachrichten
    zu unterdrücken. Kein Wunder: Es herrschte Krieg, und die Türkei war
    Bündnispartner! Selbst der heute noch von gewissen Kreisen hoch verehrte 'Vater des
    deutschen Liberalismus`, Pastor Friedrich Naumann, entblödete sich nicht, in
    Deutschlands 'weltpolitischer Sendung` einen 'sittlichen Grund` zu sehen, 'weshalb
    wir gegen die Leiden der christlichen Völker im türkischen Reichepolitisch
    gleichgültig sein müssen`.
    So nahm denn der erste Genozid des 20. Jahrhunderts seinen furchtbaren
    Verlauf. Viele Einzelheiten sind bis heute nicht aufgeklärt (z.B. die Gräuel der
    'kilikischen Apokalypse` von 1909, der allein 20000 Armenier zum Opfer fielen),
    nichts wurde jemals aufgearbeitet, im Gegenteil: Die Leichen der
    Hauptschlächter Enver Pascha und Talaat Pascha ruhen noch heute in Ehrengräbern (!) auf dem
    Freiheitshügel in Istanbul. Und wo sind die Gedenkstätten für den armenischen
    Holocaust?
    So beschämend die Antwort ist: Es gibt keine - oder nur jene bescheidenen,
    auf Bücher beschränkten. Unter diesen aber ist das vorliegende Buch eines der
    würdigsten und bedeutendsten, bei dem nur eines zu bedauern ist: dass es nicht
    von einem türkischen Autor verfasst und nicht zuerst in der Türkei publiziert
    wurde. Aber von solcherlei ehrlicher wie ehrenvoller Aufarbeitung der eigenen,
    blutigen Geschichte ist das EU-Anwärterland wohl noch weit entfernt.

    Rolf Hosfeld: Operation Nemesis. Die Türkei, Deutschland und der Völkermord
    an den Armeniern. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005. 351S., geb., 19,90 EUR.

    (NDÂ 12.05.05)

    From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress
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