Neue Zürcher Zeitung
26. Mai 2005
van Gent A.
ÜBERSCHRIFT: Aufgefallen
Absage in Istanbul
it. (Istanbul) Die für den Mittwoch angekündigte Konferenz von drei
renommierten Istanbuler Universitäten (Bosporus, Bilgin und Sabanci)
zur Armenierfrage schien vielversprechend: Gemäss dem Programm wollten
türkische Historiker, Soziologen und Journalisten während eines
dreitägigen Symposiums den Fragen nachgehen, was in den
verhängnisvollen Jahren 1913-1918 in Anatolien genau vor sich gegangen
war, was "die Welt weiss, wir aber nicht", und seit wann die armenische
Frage in der Türkei zu einem Tabu wurde.
Die Teilnahme von Historikern wie Halil Berktay und Taner Akcam, welche
in dieser Frage eine andere Auffassung als die offizielle vertreten,
sprach für die Vielstimmigkeit der Konferenz.
Die erste negative Stellungnahme zu dem Treffen der Istanbuler
Wissenschafter kam vom Vorsitzenden des staatlichen Instituts für
Geschichte, Yusuf Halacoglu. "Diese Leute vertreten die Auslegung der
armenischen Diaspora. Von wem werden sie bezahlt?", fragte er bösartig.
Dann liefen die Massenzeitungen "Milliyet" und "Hürriyet" Sturm gegen
die Andersdenkenden. Der heftigste Angriff kam aber vom Justizminister
Cemil Cicek. Er nannte das Symposium einen "Dolch in den Rücken der
türkischen Nation" und bezeichnete die Wissenschafter seines Landes
kurzerhand als "Verräter". Die Konferenz wurde abgesagt.
Nun fragt man sich, welche Folgen die verhinderte Konferenz auf die
Freiheit der Wissenschaft in der Türkei haben könnte. Die
Schriftstellerin Fethiye Cetin sagt, sie sei entsetzt. Sie findet, die
Regierung Erdogan könne von ihrem Reformwillen etwa in Bezug auf
Meinungsfreiheit niemanden mehr überzeugen.
26. Mai 2005
van Gent A.
ÜBERSCHRIFT: Aufgefallen
Absage in Istanbul
it. (Istanbul) Die für den Mittwoch angekündigte Konferenz von drei
renommierten Istanbuler Universitäten (Bosporus, Bilgin und Sabanci)
zur Armenierfrage schien vielversprechend: Gemäss dem Programm wollten
türkische Historiker, Soziologen und Journalisten während eines
dreitägigen Symposiums den Fragen nachgehen, was in den
verhängnisvollen Jahren 1913-1918 in Anatolien genau vor sich gegangen
war, was "die Welt weiss, wir aber nicht", und seit wann die armenische
Frage in der Türkei zu einem Tabu wurde.
Die Teilnahme von Historikern wie Halil Berktay und Taner Akcam, welche
in dieser Frage eine andere Auffassung als die offizielle vertreten,
sprach für die Vielstimmigkeit der Konferenz.
Die erste negative Stellungnahme zu dem Treffen der Istanbuler
Wissenschafter kam vom Vorsitzenden des staatlichen Instituts für
Geschichte, Yusuf Halacoglu. "Diese Leute vertreten die Auslegung der
armenischen Diaspora. Von wem werden sie bezahlt?", fragte er bösartig.
Dann liefen die Massenzeitungen "Milliyet" und "Hürriyet" Sturm gegen
die Andersdenkenden. Der heftigste Angriff kam aber vom Justizminister
Cemil Cicek. Er nannte das Symposium einen "Dolch in den Rücken der
türkischen Nation" und bezeichnete die Wissenschafter seines Landes
kurzerhand als "Verräter". Die Konferenz wurde abgesagt.
Nun fragt man sich, welche Folgen die verhinderte Konferenz auf die
Freiheit der Wissenschaft in der Türkei haben könnte. Die
Schriftstellerin Fethiye Cetin sagt, sie sei entsetzt. Sie findet, die
Regierung Erdogan könne von ihrem Reformwillen etwa in Bezug auf
Meinungsfreiheit niemanden mehr überzeugen.