Armenien-Konferenz in Istanbul geplatzt
Nach scharfer Kritik der türkischen Regierung sagt Istanbuler
Bosporus-Universität das Treffen kurzfristig ab
Die Tageszeitung (Left-leaning newspaper based in Berlin)
26.5.2005
JÜRGEN GOTTSCHLICH
ISTANBUL -- Es hatte ein Signal werden sollen. Drei Tage wollten
Historiker und Sozialwissenschafter dreier Istanbuler Universitäten mit
Kollegen aus dem Ausland über die Situation der Armenier im ausgehenden
Osmanischen Reich diskutieren. Eingeladen waren die Kritiker der
offiziellen türkischen Haltung zum Genozid an der armenischen
Bevölkerung, um zu zeigen, dass es viele Wissenschaftler in der Türkei
gibt, die anders denken, wie ein Veranstalter sagte.
Doch dieses Signal wird es jetzt nicht geben. Im letzter Sekunde sagte
die Leitung der Bosporus-Universität das Treffen ab. Vorausgegangen war
eine Kritik der staatsoffiziellen Historikerzunft. Professor Yusuf
Halacoglu, Chef der türkischen Historikervereinigung, beschwerte sich,
dass er nicht eingeladen worden war. Andere kündigten an, ihre Zusage
zurückzuziehen, nachdem sie in der Zeitung gelesen hatten, die
Veranstaltung solle dazu dienen, die Stimme gegen die offizielle
Geschichtsschreibung zu erheben.
Ausschlaggebend für die Entscheidung der Bosporus-Universität war eine
Stellungnahme von Justizminister Cemil Cicek, der am Tag vor dem
geplanten Konferenzbeginn erklärte: "Diese Konferenz ist ein Dolchstoß
in den Rücken der türkischen Nation, die nur der armenischen Diaspora in
die Hände arbeitet."
Mit seinem Einspruch dokumentierte Cicek als Regierungssprecher erneut,
wie wenig die offizielle Türkei bislang zu einem offenen Dialog bereit
ist. Schon auf dem Gipfeltreffen des Europarates in Warschau vor zehn
Tagen war es zu einem Eklat gekommen, als Armeniens Präsident Robert
Kotscharian die Konferenzteilnehmer aufgefordert hatte, den Völkermord
an den Armeniern anzuerkennen. Der türkische Premier Tayyip Erdogan war
so erbost, dass ein angepeiltes Treffen mit Kotscharian nicht mehr
zustande kam.
taz Nr. 7673 vom 26.5.2005, Seite 9, 62 Zeilen (TAZ-Bericht), JÜRGEN
GOTTSCHLICH
http://www.nfhdata.de/cgi-local/datenbasis-information/cgi/jump.cgi?ID=38987
Nach scharfer Kritik der türkischen Regierung sagt Istanbuler
Bosporus-Universität das Treffen kurzfristig ab
Die Tageszeitung (Left-leaning newspaper based in Berlin)
26.5.2005
JÜRGEN GOTTSCHLICH
ISTANBUL -- Es hatte ein Signal werden sollen. Drei Tage wollten
Historiker und Sozialwissenschafter dreier Istanbuler Universitäten mit
Kollegen aus dem Ausland über die Situation der Armenier im ausgehenden
Osmanischen Reich diskutieren. Eingeladen waren die Kritiker der
offiziellen türkischen Haltung zum Genozid an der armenischen
Bevölkerung, um zu zeigen, dass es viele Wissenschaftler in der Türkei
gibt, die anders denken, wie ein Veranstalter sagte.
Doch dieses Signal wird es jetzt nicht geben. Im letzter Sekunde sagte
die Leitung der Bosporus-Universität das Treffen ab. Vorausgegangen war
eine Kritik der staatsoffiziellen Historikerzunft. Professor Yusuf
Halacoglu, Chef der türkischen Historikervereinigung, beschwerte sich,
dass er nicht eingeladen worden war. Andere kündigten an, ihre Zusage
zurückzuziehen, nachdem sie in der Zeitung gelesen hatten, die
Veranstaltung solle dazu dienen, die Stimme gegen die offizielle
Geschichtsschreibung zu erheben.
Ausschlaggebend für die Entscheidung der Bosporus-Universität war eine
Stellungnahme von Justizminister Cemil Cicek, der am Tag vor dem
geplanten Konferenzbeginn erklärte: "Diese Konferenz ist ein Dolchstoß
in den Rücken der türkischen Nation, die nur der armenischen Diaspora in
die Hände arbeitet."
Mit seinem Einspruch dokumentierte Cicek als Regierungssprecher erneut,
wie wenig die offizielle Türkei bislang zu einem offenen Dialog bereit
ist. Schon auf dem Gipfeltreffen des Europarates in Warschau vor zehn
Tagen war es zu einem Eklat gekommen, als Armeniens Präsident Robert
Kotscharian die Konferenzteilnehmer aufgefordert hatte, den Völkermord
an den Armeniern anzuerkennen. Der türkische Premier Tayyip Erdogan war
so erbost, dass ein angepeiltes Treffen mit Kotscharian nicht mehr
zustande kam.
taz Nr. 7673 vom 26.5.2005, Seite 9, 62 Zeilen (TAZ-Bericht), JÜRGEN
GOTTSCHLICH
http://www.nfhdata.de/cgi-local/datenbasis-information/cgi/jump.cgi?ID=38987