Turken turken den armenischen Genozid
http://www.readers-edition.de/2006/10/16/t uerken-tuerken-den-armenischen-genozid/
Artikel von Malte Olschewski vom 16.10.2006, 09:01 Uhr im Ressort Politik,
Vermischtes | 8 Comments
Die Turkei halt an der geturkten Version des Volkermordes an den Armeniern
fest. Es seien "kriegsbedingte Deportationen" gewesen, die 1915/16 etwa
300.000 Armeniern das Leben gekostet hatten. Am 12.10. erhielt die Turkei
von Europa zwei deutliche Hinweise fur eine Textanderung. Der
Romanschriftsteller Orhan Pamuk, der mehrfach fur ein turkisches
Schuldgestandnis eingetreten war, wurde mit dem Literaturnobelpreis
ausgezeichnet. Am gleichen Tag beschloss die franzosische
Nationalversammlung, dass die Leugnung des Genozids an der Armeniern als
Haftstrafen geahndet werden kann.
Das Europa-Parlament hat ein Schuldgestandnis zu einer Voraussetzung eines
EU-Beitritts gemacht. Drohungen Ankaras mit einem Wirtschaftsboykott und das
hartnackige Festhalten an der langst schon widerlegten Version werden nun zu
einer Hurde. Die historische Wahrheit kam schon nach Ende des Ersten
Weltkrieges ans Licht. Die Opferzahl von uber einer Millionen Armenier ist
seitdem durch unzahlige Dokumente und Untersuchungen erhartet worden. (Siehe
auch: "Armenien und der Volkermord" von Akcam Taner) Dabei neigen judische
Historiker wie Bernard Lewis oder Gilles Veinstein eher zur turkischen
Version, da der Genozid an den Armeniern die von ihnen vertretene Theorie
der Einzigartigkeit oder Singularitat des judischen Holocausts in Frage
stellen konnte.
Die Ursache des langsamen Niedergangs des Osmanischen Reiches lag wie bei
anderen großen Staatskonglomeraten in seiner Uberdehnung. Die jungturkische
Bewegung, die seit 1908 in Istanbul an der Macht war, sah in den vielen,
unruhig gewordenen Minoritaten die Ursache des Verfalls. Hierbei gerieten
die Armenier ins Fadenkreuz. Sie kontrollierten im Osmanischen Reich durch
Tuchtigkeit und auch Rafinesse den Handel. Außerdem waren sie als Nachkommen
Urartus ein antikes Volks, das als erstes das Christentum als Staatsreligion
angenommen hatte. Armenien hatte nie Eroberungsfeldzuge gefuhrt, da es sich
standig zwischen Byzanz, den Persern und den spater aus Zentralasien
herankommenden Osmanen zu behaupten hatte. Ende des 19. Jahrhunderts hatten
die Armenier in vielen Gebieten der Turkei Enklaven der Ausschließlichkeit
gebildet. Das fuhrte zu Aggressionen und zu Massakern durch die benachbarte
Mehrheit, womit sich eine Parallele zum Schicksal der Juden anbahnte.
Mit dem Kriegsausbruch 1914 kampften armenische Freiwillige auf Seiten der
russischen Armee. Auch hinter den russisch-turkischen Kampflinien wurden
Armenier aktiv. Das Zentralkomitee der Jungturken beschloss Anfang 1915 ein
Programm zur Vernichtung der Armenier. Dazu wurden eigene Sonderkommandos,
meist aus Kurden, aufgestellt. Armenische Soldaten in der turkischen Armee
wurden entwaffnet und exekutiert. Die armenische Zivilbevolkerung wurde an
sieben Platzen konzentriert. Alte Manner, Frauen und Kinder wurden zu
Gewaltmarschen in Richtung Suden und in syrische Wuste gezwungen. Hierbei
ist es zu ungeheuerlichen Verbrechen gekommen. Neben den Marschkolonnen ist
auch in anderen, armenischen Enklaven die Bevolkerung niedergemetzelt
worden. Franz Werfel hat in seinem Roman: "Die vierzig Tage des Musa Dagh"
das Schicksal einer solchen Enklave geschildert. Nur 100.000 Armenier haben
den als Deportation getarnten Marsch uberlebt. Vielleicht 200.000 konnten
fluchten. Zehntausende Frauen wurden von den am Wegrand lauernden Moslems
vergewaltigt oder als Nebenfrauen genommen. Und immer wieder kamen
freiwillige Kurden, um mitzumorden im großen Genozid.
Die deutschen Verbundeten waren informiert. Pastor Johannes Lepsius suchte
Berlin mit Dokumenten und Augenzeugenberichten zum Eingreifen zu bewegen.
Die deutsche Heeresleitung hatte zu Kriegsbeginn rund 800 Offiziere als
Militarhilfe nach Konstantinopel entsandt. In funfzig turkischen Stadten
arbeiteten deutsche Konsulate. Berlin war informiert und ist dem Verbundeten
aus strategischen Grunden nicht in die Zugel gefallen. Die Rolle der
deutschen Offiziere war unterschiedlich. Einige wie Liman von Sanders sollen
zu retten versucht haben. Goltz-Pascha und Fritz von Schellendorf sollen am
Deportationsplan mitgewirkt haben. Gesichert ist die Tatsache, dass
Deutschland die Flucht jener Paschas ermoglicht hat, die nach dem Krieg von
einem Sultansgericht zum Tod verurteilt worden waren. Der
Hauptverantwortliche, Talaat Pascha, fand Asyl in Berlin. Dort wurde er bald
von einem jungen Armenier erschossen, der unter einem Haufen ermordeter
Landsleute uberlebt hatte. In Nordostanatolien und im Kaukasus wogten die
Kampfe in einzigartigen Verzahnungen hin und her, wobei die Armenier auch
Rache geubt haben. Der Vormarsch der Turken wurde von Armeniern zusammen mit
der neuen Sowjetarmee bei Sardarapat aufgehalten. 1922 wurde Armenien ein
Teil der neu gegrundeten Sowjetunion.
Kemal Ataturk hatte nach Feldzugen gegen die Siegermachte im anatolischen
Kernland des Osmanischen Reiches die Republik gegrundet. Er hat die
Armeniermorde als "Schandtat der Vergangenheit" bezeichnet. Und mit diesem
Ausspruch des vergotterten Staatsgrunders lebte die Turkei bis heute relativ
bequem. Kemal war 1906 Mitglied des jungturkischen Komitees geworden. Er
stritt mit Kriegsminister Enver Pascha und wurde nach Kriegsausbruch 1914
als Militarattache nach Sofia verschoben. Er kann in dieser Position von den
Beschlussen uber die Armenier hochstens gewusst haben. Er vollbrachte 1915
Heldentaten bei der Abwehr der alliierten Landung bei Gallipoli. Er wurde
als Retter von Istanbul zum Pascha ernannt und ab 1916 mit der Fuhrung der
Front im Kaukasus beauftragt. Hier und auch spater hatte er immer wieder mit
der armenischen Frage zu tun. Kemal Ataturk und die Armenier sind als ein
extrem heikles Thema in der Staatswerdung der Turkei verborgen worden.
Wenn eine derart offenkundige, historische Wahrheit von einem Staat des
Jahres 2006 mit derartiger Vehemenz geleugnet wird, muss es tief reichende
Grunde dafur geben. Noch immer wirkt hier der Zusammenbruch des riesigen
Osmanenreiches. Es mag auch die historische Nahe des vergotterten
Staatsgrunders Ataturk zu den Massenmorden sein. Es sind trotz der von
Ataturk erzwungenen Sakularisierung in den letzten Jahren islamische Krafte
immer starker geworden. Die Turkei hat sich in letzten Jahrzehnten als
regionale Großmacht und Fuhrer panturkischer Bewegungen vielleicht nicht nur
in Zentralasien gesehen.
Artikel aus "Readers Edition": http://www.readers-edition.de
Link zum Artikel:
http://www.readers-edition.de/2006/10/16/tuerken- tuerken-den-armenischen-genozid/
--Boundary_(ID_b yE/QPqS9y/kSQn4wSOwHA)--
From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress
http://www.readers-edition.de/2006/10/16/t uerken-tuerken-den-armenischen-genozid/
Artikel von Malte Olschewski vom 16.10.2006, 09:01 Uhr im Ressort Politik,
Vermischtes | 8 Comments
Die Turkei halt an der geturkten Version des Volkermordes an den Armeniern
fest. Es seien "kriegsbedingte Deportationen" gewesen, die 1915/16 etwa
300.000 Armeniern das Leben gekostet hatten. Am 12.10. erhielt die Turkei
von Europa zwei deutliche Hinweise fur eine Textanderung. Der
Romanschriftsteller Orhan Pamuk, der mehrfach fur ein turkisches
Schuldgestandnis eingetreten war, wurde mit dem Literaturnobelpreis
ausgezeichnet. Am gleichen Tag beschloss die franzosische
Nationalversammlung, dass die Leugnung des Genozids an der Armeniern als
Haftstrafen geahndet werden kann.
Das Europa-Parlament hat ein Schuldgestandnis zu einer Voraussetzung eines
EU-Beitritts gemacht. Drohungen Ankaras mit einem Wirtschaftsboykott und das
hartnackige Festhalten an der langst schon widerlegten Version werden nun zu
einer Hurde. Die historische Wahrheit kam schon nach Ende des Ersten
Weltkrieges ans Licht. Die Opferzahl von uber einer Millionen Armenier ist
seitdem durch unzahlige Dokumente und Untersuchungen erhartet worden. (Siehe
auch: "Armenien und der Volkermord" von Akcam Taner) Dabei neigen judische
Historiker wie Bernard Lewis oder Gilles Veinstein eher zur turkischen
Version, da der Genozid an den Armeniern die von ihnen vertretene Theorie
der Einzigartigkeit oder Singularitat des judischen Holocausts in Frage
stellen konnte.
Die Ursache des langsamen Niedergangs des Osmanischen Reiches lag wie bei
anderen großen Staatskonglomeraten in seiner Uberdehnung. Die jungturkische
Bewegung, die seit 1908 in Istanbul an der Macht war, sah in den vielen,
unruhig gewordenen Minoritaten die Ursache des Verfalls. Hierbei gerieten
die Armenier ins Fadenkreuz. Sie kontrollierten im Osmanischen Reich durch
Tuchtigkeit und auch Rafinesse den Handel. Außerdem waren sie als Nachkommen
Urartus ein antikes Volks, das als erstes das Christentum als Staatsreligion
angenommen hatte. Armenien hatte nie Eroberungsfeldzuge gefuhrt, da es sich
standig zwischen Byzanz, den Persern und den spater aus Zentralasien
herankommenden Osmanen zu behaupten hatte. Ende des 19. Jahrhunderts hatten
die Armenier in vielen Gebieten der Turkei Enklaven der Ausschließlichkeit
gebildet. Das fuhrte zu Aggressionen und zu Massakern durch die benachbarte
Mehrheit, womit sich eine Parallele zum Schicksal der Juden anbahnte.
Mit dem Kriegsausbruch 1914 kampften armenische Freiwillige auf Seiten der
russischen Armee. Auch hinter den russisch-turkischen Kampflinien wurden
Armenier aktiv. Das Zentralkomitee der Jungturken beschloss Anfang 1915 ein
Programm zur Vernichtung der Armenier. Dazu wurden eigene Sonderkommandos,
meist aus Kurden, aufgestellt. Armenische Soldaten in der turkischen Armee
wurden entwaffnet und exekutiert. Die armenische Zivilbevolkerung wurde an
sieben Platzen konzentriert. Alte Manner, Frauen und Kinder wurden zu
Gewaltmarschen in Richtung Suden und in syrische Wuste gezwungen. Hierbei
ist es zu ungeheuerlichen Verbrechen gekommen. Neben den Marschkolonnen ist
auch in anderen, armenischen Enklaven die Bevolkerung niedergemetzelt
worden. Franz Werfel hat in seinem Roman: "Die vierzig Tage des Musa Dagh"
das Schicksal einer solchen Enklave geschildert. Nur 100.000 Armenier haben
den als Deportation getarnten Marsch uberlebt. Vielleicht 200.000 konnten
fluchten. Zehntausende Frauen wurden von den am Wegrand lauernden Moslems
vergewaltigt oder als Nebenfrauen genommen. Und immer wieder kamen
freiwillige Kurden, um mitzumorden im großen Genozid.
Die deutschen Verbundeten waren informiert. Pastor Johannes Lepsius suchte
Berlin mit Dokumenten und Augenzeugenberichten zum Eingreifen zu bewegen.
Die deutsche Heeresleitung hatte zu Kriegsbeginn rund 800 Offiziere als
Militarhilfe nach Konstantinopel entsandt. In funfzig turkischen Stadten
arbeiteten deutsche Konsulate. Berlin war informiert und ist dem Verbundeten
aus strategischen Grunden nicht in die Zugel gefallen. Die Rolle der
deutschen Offiziere war unterschiedlich. Einige wie Liman von Sanders sollen
zu retten versucht haben. Goltz-Pascha und Fritz von Schellendorf sollen am
Deportationsplan mitgewirkt haben. Gesichert ist die Tatsache, dass
Deutschland die Flucht jener Paschas ermoglicht hat, die nach dem Krieg von
einem Sultansgericht zum Tod verurteilt worden waren. Der
Hauptverantwortliche, Talaat Pascha, fand Asyl in Berlin. Dort wurde er bald
von einem jungen Armenier erschossen, der unter einem Haufen ermordeter
Landsleute uberlebt hatte. In Nordostanatolien und im Kaukasus wogten die
Kampfe in einzigartigen Verzahnungen hin und her, wobei die Armenier auch
Rache geubt haben. Der Vormarsch der Turken wurde von Armeniern zusammen mit
der neuen Sowjetarmee bei Sardarapat aufgehalten. 1922 wurde Armenien ein
Teil der neu gegrundeten Sowjetunion.
Kemal Ataturk hatte nach Feldzugen gegen die Siegermachte im anatolischen
Kernland des Osmanischen Reiches die Republik gegrundet. Er hat die
Armeniermorde als "Schandtat der Vergangenheit" bezeichnet. Und mit diesem
Ausspruch des vergotterten Staatsgrunders lebte die Turkei bis heute relativ
bequem. Kemal war 1906 Mitglied des jungturkischen Komitees geworden. Er
stritt mit Kriegsminister Enver Pascha und wurde nach Kriegsausbruch 1914
als Militarattache nach Sofia verschoben. Er kann in dieser Position von den
Beschlussen uber die Armenier hochstens gewusst haben. Er vollbrachte 1915
Heldentaten bei der Abwehr der alliierten Landung bei Gallipoli. Er wurde
als Retter von Istanbul zum Pascha ernannt und ab 1916 mit der Fuhrung der
Front im Kaukasus beauftragt. Hier und auch spater hatte er immer wieder mit
der armenischen Frage zu tun. Kemal Ataturk und die Armenier sind als ein
extrem heikles Thema in der Staatswerdung der Turkei verborgen worden.
Wenn eine derart offenkundige, historische Wahrheit von einem Staat des
Jahres 2006 mit derartiger Vehemenz geleugnet wird, muss es tief reichende
Grunde dafur geben. Noch immer wirkt hier der Zusammenbruch des riesigen
Osmanenreiches. Es mag auch die historische Nahe des vergotterten
Staatsgrunders Ataturk zu den Massenmorden sein. Es sind trotz der von
Ataturk erzwungenen Sakularisierung in den letzten Jahren islamische Krafte
immer starker geworden. Die Turkei hat sich in letzten Jahrzehnten als
regionale Großmacht und Fuhrer panturkischer Bewegungen vielleicht nicht nur
in Zentralasien gesehen.
Artikel aus "Readers Edition": http://www.readers-edition.de
Link zum Artikel:
http://www.readers-edition.de/2006/10/16/tuerken- tuerken-den-armenischen-genozid/
--Boundary_(ID_b yE/QPqS9y/kSQn4wSOwHA)--
From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress