31.03.2009
Diplomatischer Durchbruch
Ankara und Eriwan wollen Grenze öffnen
http://www.taz.de/nc/1/politik/europa /artikel/1/ankara-und-eriwan-wollen-grenze-oeffnen &src=PR
Laut türkischen Medienberichten einigen sich die Türkei und Armenien
auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Eine Kommission soll sich
der Frage des Massakers an Armeniern im Jahr 1915 widmen.
VON JÜRGEN GOTTSCHLICH
Die Türkei und Armenien stehen offenbar vor einem diplomatischen
Durchbruch. Nach Berichten türkischer Zeitungen haben sich die
Regierungen beider Länder darauf verständigt, in Kürze die seit 1993
geschlossene Grenze zu öffnen und diplomatische Beziehungen
aufzunehmen. Wie die Zeitungen Vatan und Hürriyet meldeten, sind beide
Seiten bereit, ein Protokoll zu unterzeichnen, in dem die Aufnahme
diplomatischer Beziehungen angekündigt wird. Zur Vorbereitung sollen
Kommissionen eingerichtet werden, die sich um Details des
Grenzmanagements und Zollfragen kümmern sollen. Außerdem soll Armenien
zugestimmt haben, die von der Türkei vorgeschlagene
Historikerkommission einzurichten, in der über die "Tragödie von 1915"
geredet und geforscht werden soll. Die Massaker an den Armeniern im
Osmanischen Reich und der Streit, ob diese Morde ein Völkermord waren,
sind einer der wichtigsten Gründe für die gespannten Beziehungen
zwischen den Nachbarn. Obwohl es in einer bilateralen Kommission noch
lange Zeit nicht zu einer gemeinsamen Einschätzung der Geschichte
kommen wird, hat man sich offenbar geeinigt, die Klärung der Frage
nicht mehr zur Vorbedingung für diplomatische Beziehungen zu machen.
Der ausschlaggebende Grund für die Grenzschließung 1993 war aber der
Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Enklave
Berg-Karabach. Der Krieg endete mit der Vertreibung der Aseris aus
Karabach und der Besetzung weiterer aserbaidschanischer Territorien
durch Armenien. Die Türkei hatte als Alliierter der Aserbaidschaner
die Grenze geschlossen. Jetzt will Ankara einen Plan für die Lösung
der Karabach-Frage vorlegen und zwischen Aserbaidschan und Armenien
vermitteln. Strittig ist offenbar noch, wann die Einigung verkündet
werden soll. Die Türkei möchte möglichst bald an die Öffentlichkeit,
die armenische Regierung lieber abwarten. Hintergrund ist der Besuch
von US-Präsident Barak Obama am kommenden Montag in der Türkei und der
Jahrestag des Genozids am 24. April. Obama hatte im Wahlkampf den
armenischen Lobbygruppen in den USA versprochen, er werde den Genozid
an den Armeniern anerkennen. Da die Türkei dies verhindern will, macht
sie Druck, die Einigung möglichst noch vor dem Eintreffen Obamas zu
verkünden, damit dieser von einer Festlegung auf den Genozid Abstand
nimmt. Im Sinne der Türkei wäre auch eine Bekanntgabe der Einigung am
Rande des "Treffs der Zivilisationen", der am Montag und Dienstag in
Istanbul stattfindet und an dem Obama zeitweilig teilnehmen
wird. Armeniens Regierung steht dagegen unter dem Druck der Diaspora,
die Verkündung eines Neuanfangs mit der Türkei bis nach dem Gedenktag
am 24. April zu verschieben. Sie fürchtet, ihre Lobbyarbeit in
Washington, auch die US-Regierung dazu zu bringen, offiziell von einem
Völkermord an den Armeniern zu sprechen, wäre sonst vergeblich
gewesen.
Diplomatischer Durchbruch
Ankara und Eriwan wollen Grenze öffnen
http://www.taz.de/nc/1/politik/europa /artikel/1/ankara-und-eriwan-wollen-grenze-oeffnen &src=PR
Laut türkischen Medienberichten einigen sich die Türkei und Armenien
auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Eine Kommission soll sich
der Frage des Massakers an Armeniern im Jahr 1915 widmen.
VON JÜRGEN GOTTSCHLICH
Die Türkei und Armenien stehen offenbar vor einem diplomatischen
Durchbruch. Nach Berichten türkischer Zeitungen haben sich die
Regierungen beider Länder darauf verständigt, in Kürze die seit 1993
geschlossene Grenze zu öffnen und diplomatische Beziehungen
aufzunehmen. Wie die Zeitungen Vatan und Hürriyet meldeten, sind beide
Seiten bereit, ein Protokoll zu unterzeichnen, in dem die Aufnahme
diplomatischer Beziehungen angekündigt wird. Zur Vorbereitung sollen
Kommissionen eingerichtet werden, die sich um Details des
Grenzmanagements und Zollfragen kümmern sollen. Außerdem soll Armenien
zugestimmt haben, die von der Türkei vorgeschlagene
Historikerkommission einzurichten, in der über die "Tragödie von 1915"
geredet und geforscht werden soll. Die Massaker an den Armeniern im
Osmanischen Reich und der Streit, ob diese Morde ein Völkermord waren,
sind einer der wichtigsten Gründe für die gespannten Beziehungen
zwischen den Nachbarn. Obwohl es in einer bilateralen Kommission noch
lange Zeit nicht zu einer gemeinsamen Einschätzung der Geschichte
kommen wird, hat man sich offenbar geeinigt, die Klärung der Frage
nicht mehr zur Vorbedingung für diplomatische Beziehungen zu machen.
Der ausschlaggebende Grund für die Grenzschließung 1993 war aber der
Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Enklave
Berg-Karabach. Der Krieg endete mit der Vertreibung der Aseris aus
Karabach und der Besetzung weiterer aserbaidschanischer Territorien
durch Armenien. Die Türkei hatte als Alliierter der Aserbaidschaner
die Grenze geschlossen. Jetzt will Ankara einen Plan für die Lösung
der Karabach-Frage vorlegen und zwischen Aserbaidschan und Armenien
vermitteln. Strittig ist offenbar noch, wann die Einigung verkündet
werden soll. Die Türkei möchte möglichst bald an die Öffentlichkeit,
die armenische Regierung lieber abwarten. Hintergrund ist der Besuch
von US-Präsident Barak Obama am kommenden Montag in der Türkei und der
Jahrestag des Genozids am 24. April. Obama hatte im Wahlkampf den
armenischen Lobbygruppen in den USA versprochen, er werde den Genozid
an den Armeniern anerkennen. Da die Türkei dies verhindern will, macht
sie Druck, die Einigung möglichst noch vor dem Eintreffen Obamas zu
verkünden, damit dieser von einer Festlegung auf den Genozid Abstand
nimmt. Im Sinne der Türkei wäre auch eine Bekanntgabe der Einigung am
Rande des "Treffs der Zivilisationen", der am Montag und Dienstag in
Istanbul stattfindet und an dem Obama zeitweilig teilnehmen
wird. Armeniens Regierung steht dagegen unter dem Druck der Diaspora,
die Verkündung eines Neuanfangs mit der Türkei bis nach dem Gedenktag
am 24. April zu verschieben. Sie fürchtet, ihre Lobbyarbeit in
Washington, auch die US-Regierung dazu zu bringen, offiziell von einem
Völkermord an den Armeniern zu sprechen, wäre sonst vergeblich
gewesen.