Welt, Deutschland
18 januar 2012
Geleugneter Völkermord ist nichts für die Justiz
Frankreich hat die Beschönigung von Verbrechen gegen die
Menschlichkeit für illegal erklärt. Das ist ein zivilisatorischer
Rückschritt.
Das französische Parlament hat die Leugnung des Völkermords an den
Armeniern zu einem Straftatbestand erklärt. Das ist ein
zivilisatorischer Rückschritt. Nicht, dass irgendjemand ernsthaft die
Tatsache des Genozids bezweifeln könnte. Die Türkei selbst hat
unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg zahlreiche Beamte, Offiziere und
Funktionäre sowie 31 Minister wegen des Mordes an mindestens 800.000
Armeniern angeklagt. Es ergingen 17 Todesurteile, unter anderem - in
Abwesenheit - gegen den ehemaligen Großwesir Talat Pascha, der in
einem Telegramm geschrieben hatte: ?Die Armenierfrage wurde gelöst.`
Die Sprache kennen wir.
Dass sich die Türkei fast hundert Jahre später weigert, den Völkermord
an den Armeniern anzuerkennen, hat mit verletztem Nationalstolz und
dem Erbe des Kemalismus zu tun. Das Osmanische Reich wurde von den
Siegermächten aufgeteilt, der Rumpfstaat Türkei gedemütigt und von
Griechenland überfallen. Im Befreiungskrieg brauchte Atatürk auch jene
Kräfte, die für den Genozid verantwortlich gewesen waren. Der Preis
hieß Amnestie und Amnesie.
Nicht nur die Türkei tut sich freilich schwer damit, den eigenen
heroischen Mythos infrage zu stellen und eigenen Verbrechen ins Auge
zu sehen. Erst vor wenigen Jahren hat etwa Frankreich begonnen, die
Kollaboration beim Völkermord an den Juden aufzuarbeiten. In Polen und
Ungarn ist es ähnlich. In Großbritannien wurde Sir Arthur ?Bomber`
Harris mit einem Standbild geehrt. Und Papst Benedikt XVI. hat sich
geweigert, die genozidale Christianisierung Südamerikas zu
kritisieren. Vielmehr sei Christus von den Ureinwohnern als Retter ?im
Stillen herbeigesehnt` worden.
Wenn die französischen Abgeordneten die Leugnung oder Beschönigung von
Verbrechen gegen die Menschlichkeit für illegal erklären wollten,
hätten sie durchaus bei sich zuhause anfangen können. Der Schlächter
Napoleon wird nach wie vor im Panthéon geehrt. So mancher
Linksintellektueller glorifiziert noch heute die Massenmörder
Robespierre, St. Just und Co. als Revolutionäre, und Lenin, Stalin,
Mao usw. gleich mit. Auf der Rechten gehört die Beschönigung
französischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Indochina und
Algerien zum guten Ton. Allons enfants!
Allein an dieser unvollkommenen Liste sieht man allerdings, welche
abschüssige Bahn man betritt, wenn man beginnt, Geschichte und
Geschichtsinterpretation zur Sache der Strafjustiz zu erklären.
Tatsachen sind nicht justiziabel. Jeder hat das Recht, sich durch
deren Leugnung der Lächerlichkeit oder der moralischen Verurteilung
durch die Zeitgenossen preiszugeben. Oder wie Thomas Jefferson sagte.
?Der Irrtum kann toleriert werden, wo die Vernunft frei ist, ihn zu
bekämpfen.` Aber der war Amerikaner und glaubte naiverweise an die
Demokratie. Im Frankreich der Regulierung und Verbote ist man da
weiter.
http://www.welt.de/kultur/history/article13798133/Geleugneter-Voelkermord-ist-nichts-fuer-die-Justiz.html
From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress
18 januar 2012
Geleugneter Völkermord ist nichts für die Justiz
Frankreich hat die Beschönigung von Verbrechen gegen die
Menschlichkeit für illegal erklärt. Das ist ein zivilisatorischer
Rückschritt.
Das französische Parlament hat die Leugnung des Völkermords an den
Armeniern zu einem Straftatbestand erklärt. Das ist ein
zivilisatorischer Rückschritt. Nicht, dass irgendjemand ernsthaft die
Tatsache des Genozids bezweifeln könnte. Die Türkei selbst hat
unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg zahlreiche Beamte, Offiziere und
Funktionäre sowie 31 Minister wegen des Mordes an mindestens 800.000
Armeniern angeklagt. Es ergingen 17 Todesurteile, unter anderem - in
Abwesenheit - gegen den ehemaligen Großwesir Talat Pascha, der in
einem Telegramm geschrieben hatte: ?Die Armenierfrage wurde gelöst.`
Die Sprache kennen wir.
Dass sich die Türkei fast hundert Jahre später weigert, den Völkermord
an den Armeniern anzuerkennen, hat mit verletztem Nationalstolz und
dem Erbe des Kemalismus zu tun. Das Osmanische Reich wurde von den
Siegermächten aufgeteilt, der Rumpfstaat Türkei gedemütigt und von
Griechenland überfallen. Im Befreiungskrieg brauchte Atatürk auch jene
Kräfte, die für den Genozid verantwortlich gewesen waren. Der Preis
hieß Amnestie und Amnesie.
Nicht nur die Türkei tut sich freilich schwer damit, den eigenen
heroischen Mythos infrage zu stellen und eigenen Verbrechen ins Auge
zu sehen. Erst vor wenigen Jahren hat etwa Frankreich begonnen, die
Kollaboration beim Völkermord an den Juden aufzuarbeiten. In Polen und
Ungarn ist es ähnlich. In Großbritannien wurde Sir Arthur ?Bomber`
Harris mit einem Standbild geehrt. Und Papst Benedikt XVI. hat sich
geweigert, die genozidale Christianisierung Südamerikas zu
kritisieren. Vielmehr sei Christus von den Ureinwohnern als Retter ?im
Stillen herbeigesehnt` worden.
Wenn die französischen Abgeordneten die Leugnung oder Beschönigung von
Verbrechen gegen die Menschlichkeit für illegal erklären wollten,
hätten sie durchaus bei sich zuhause anfangen können. Der Schlächter
Napoleon wird nach wie vor im Panthéon geehrt. So mancher
Linksintellektueller glorifiziert noch heute die Massenmörder
Robespierre, St. Just und Co. als Revolutionäre, und Lenin, Stalin,
Mao usw. gleich mit. Auf der Rechten gehört die Beschönigung
französischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Indochina und
Algerien zum guten Ton. Allons enfants!
Allein an dieser unvollkommenen Liste sieht man allerdings, welche
abschüssige Bahn man betritt, wenn man beginnt, Geschichte und
Geschichtsinterpretation zur Sache der Strafjustiz zu erklären.
Tatsachen sind nicht justiziabel. Jeder hat das Recht, sich durch
deren Leugnung der Lächerlichkeit oder der moralischen Verurteilung
durch die Zeitgenossen preiszugeben. Oder wie Thomas Jefferson sagte.
?Der Irrtum kann toleriert werden, wo die Vernunft frei ist, ihn zu
bekämpfen.` Aber der war Amerikaner und glaubte naiverweise an die
Demokratie. Im Frankreich der Regulierung und Verbote ist man da
weiter.
http://www.welt.de/kultur/history/article13798133/Geleugneter-Voelkermord-ist-nichts-fuer-die-Justiz.html
From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress