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Wir Mussen Widerspruche Mildern - Sargsyan Interview in German

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  • Wir Mussen Widerspruche Mildern - Sargsyan Interview in German

    "Wir müssen Widersprüche mildern"
    Armeniens Präsident Serge Sarkisian im STANDARD-Interview: Enorme
    Bedrohung durch das Wettrüsten im Kaukasus

    Armeniens Präsident Serge Sarkisian kritisiert im Gespräch mit Markus
    Bernath indirekt den Westkurs Georgiens. Den Krieg im Nachbarland
    versteht er als Folge der "Widersprüche" zwischen den USAund Russland.

    DER STANDARD/AUSTRIA
    22. August 2008

    STANDARD: "Seid freundlich zu Russland, schaut nicht zu sehr auf den
    Westen" ` Ist das die Lektion, die Russland mit dem Krieg den Ländern
    im Kaukasus erteilt hat?

    Sarkisian: Ein Blick zurück in die Geschichte Armeniens zeigt, dass die
    Freundschaft mit Russland nie erzwungen worden ist. Dass man
    Freundschaft nicht unter Zwang schlieÃ?en, geschweige denn
    aufrechterhalten kann, versteht sich von selbst. Ich möchte nicht für
    andere Länder sprechen, aber zumindest Armenien ist sehr offen,
    freimütig und beständig in seinen Beziehungen zu Russland.

    Lassen Sie mich auch betonen, dass unsere strategische Partnerschaft
    mit Russland nie ein Hindernis gewesen ist, unsere gute Zusammenarbeit
    auf andere Staaten in und auÃ?erhalb der Region und auf internationale
    Organisationen zu erstrecken. Das breite Spektrum laufender,
    gemeinsamer Programme mit der EU und der Nato, die sich zunehmend
    entwickelnden Beziehungen zu europäischen Staaten, den USA und dem Iran
    beweisen das.

    STANDARD: Die Armenier sind nicht zum ersten Mal direkt von den
    Auswirkungen einer Krise zwischen Georgien und Russland betroffen.
    Welchen Rat für den Umgang mit Russland können Sie Ihren Partnern in
    Georgien geben?

    Sarkisian: Einen Ratschlag zu geben wäre unangemessen. Die Politik, die
    wir in den vergangenen Jahren entwickelt haben, beruht auf dem Prinzip,
    dass kleine Mächte in unserer au�erordentlich sensiblen Region wirklich
    jede Anstrengung unternehmen müssen, mögliche Widersprüche zwischen den
    Supermächten zu mildern und nicht zu verschlimmern. Es ist recht
    einfach, in irgendeiner Region kurzfristig Gewinne zu machen, indem man
    sich auf Widersprüche zwischen den gro�en Mächten stützt. Es ist
    andererseits die Mühe wert, wenn auch schwieriger, im Bereich
    gemeinsamer Interessen eine offene Zusammenarbeit anzustreben. Auch
    wenn man alle Herausforderungen berücksichtigt, die sich heute stellen
    und die man annehmen muss: Es ergibt keinen Sinn, neue Trennlinien und
    künstliche ideologische Lager zu errichten.

    STANDARD: In Armenien liegt eine bedeutende russische Militärbasis. Ist
    eine russische Vormachtstellung im Südkaukasus gut für Armenien?

    Sarkisian: Souveränität, die Bedeutung hat, ist für Armenien so
    gewinnbringend wie für jeden anderen Staat. In unseren Zeiten setzt
    eine solche Souveränität die Teilnahme an wirksamen internationalen und
    regionalen Sicherheitsübereinkommen voraus. Armenien hat in dieser
    Hinsicht20die Entscheidung getroffen, sich der Organisation des Vertrags
    über kollektive Sicherheit (CSTO, die militärische Organisation der
    Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, GUS, Anm.) anzuschlie�en. Das
    Basisinstrument der Organisation ist, dass ein bewaffneter Angriff auf
    einen Mitgliedstaat ein Angriff auf alle ist. Ich glaube, Militärbasen
    sind in unseren Zeiten eher das Symbol einer wirksamen Zusammenarbeit
    als einer Vormacht.

    STANDARD: Welche Schlüsse ziehen Sie aus der militärischen Intervention
    in Georgien für Berg-Karabach, einen anderen dieser so genannten
    "eingefrorenen Konflikte" ?

    Sarkisian: Die tragischen Ereignisse in Südossetien bestätigen, dass
    jeder Versuch im Südkaukasus, eine militärische Antwort zu suchen, um
    nach dem Recht auf Selbstbestimmung zu streben, schwerwiegende
    militärische und geopolitische Folgen mit sich bringt. Die jüngsten
    Ereignisse haben die reale Bedrohung klar gemacht, die im Wettrüsten,
    in ungerechtfertigten Steigerungen des Militärbudgets und kriegerischer
    Rhetorik im Südkaukasus liegen. Die Ereignisse haben auch bewiesen,
    dass die Lösung ähnlicher Konflikte auf dem Prinzip der freien
    Willensäu�erung des Volks liegen sollte, das für Selbstbestimmung
    kämpft, und dass Lösungen diesem Willen entspringen müssen. Andere
    Herangehensweisen werden unvermeidlich zu "ethnischen Säuberungen" und
    der Verletzung internationaler humanitärer Gesetze führen.

    STANDARD: Die Türkei hat nie wirklich auf Armeniens Angebot zur
    Aufnahme diplomatischer Beziehungen ohne Bedingungen geantwortet. Sie
    haben nun sogar den türkischen Präsidenten nach Eriwan eingeladen. Was
    lässt Sie glauben, dass die türkische Führung offener für einen Dialog
    wird?

    Sarkisian: Wir sind bereit, ohne Vorbedingungen Beziehungen mit der
    Türkei aufzunehmen. Armenien hat sich immer dieser politischen Linie
    verpflichtet gefühlt. Heute stehen wir einer politischen Situation
    gegenüber, von der niemand profitiert, sondern im Gegenteil, bei der
    viele verlieren. Ich bin überzeugt, dass die dauernde Rivalität keinen
    Sinn ergibt und unnötig ist. Vor einigen Tagen hat mein türkischer
    Amtskollege erklärt, dass die Türkei keine Feinde in der Region hat. Um
    Worte in Taten umzusetzen, sollten konkrete Schritte zur Normalisierung
    getan werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 23./24.8.2008)
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