KLEINE GESCHICHTEN UBER GROBE LOCATIONS.
DiePresse.com
http://diepresse.com/home/leben/reise/amanshauserswelt/1310250/Amanshausers-Welt_271-Armenien
8 nov 2012
Deutschland
Amanshausers Welt: 271
Armenien
08.11.2012 | 14:02 | Martin Amanshauser (Die Presse - Schaufenster)
Frage an Radio Eriwan: ~DIst es wahr, dass der Kosmonaut Juri Gagarin
eine Reise in die USA gewonnen hat?" Antwort: ~DIm Prinzip ja,
aber es war nicht der Kosmonaut Juri Gagarin, sonder ein Rentner,
und er hieß nicht Juri, sondern Oleg, und auch nicht Gagarin, sondern
Gaganoff, und es war nicht in die USA, sondern es war in Kiew, und
er hat keine Reise gewonnen, sondern ein Fahrrad, und er hat es auch
nicht gewonnen, sondern es wurde ihm gestohlen." Nach diesem Muster
funktionieren die Radio-Eriwan-Witze. Der fiktive Sender arbeitete
sich in der Sowjetepoche an den entlarvenden Parolen der Diktatur ab
und sprach so ungemutliche Wahrheiten aus. Dieser Galgenhumor passte
gut zu den Vorbehalten vieler Russen gegen die ~Dverschlagenen" -
heißt schelmischen - Kaukasusvolker.
Ein bisschen bitter sind die Armenier naturlich auch, alles gerat
ihnen dabei zum Witz. Sie haben jeden Grund dazu. Der Mord an 1,5
Millionen Armeniern zwischen dem Ersten Weltkrieg und 1923, eines
der großten Verbrechen der Menschheitsgeschichte, wird von der Turkei
weiterhin systematisch in Abrede gestellt. Personen wie dem turkischen
Nobelpreistrager Orhan Pamuk drohen, sobald sie an die Fakten erinnern,
Gerichtsverfahren: ~DBeleidigung des Turkentums" hieß das bizarre
dazugehorige Gesetz. Die historische Faktenlage ist unbestritten,
auch den Zeitgenossen war der Volkermord bewusst. ~DWer redet heute
noch von der Vernichtung der Armenier?", lautete Hitlers rhetorische
Frage im Sommer 1939.
Die Trauer wird von einem beklemmenden Mahnmal begleitet, der
Schwalbenfestung (Tsitsernakaberd) am Rande von Jerevan: ein 44 Meter
hoher Obelisk, zwolf Saulen, ein ewiges Feuer, ein Museum. Jeden
24. April wird ein Blumenmeer niedergelegt. Doch die Armenier sind
nicht melancholisch, eher wirken sie nachdenklich - und sie lieben
ihr Cafe. Dort debattieren sie gern daruber, wieso gerade in Armenien
keine postkommunistische Revolution zustande kam. Gangige Begrundung:
~DWeil sich die Demonstranten gleich ins Cafe zuruckgezogen hatten,
um die Geschehnisse zu debattieren."
Lange schon gehen keine neuen Radio-Eriwan-Witze durch die Welt,
die Sowjetunion ist untergegangen, und der Humor wirkt auch schon
ein bisschen verstaubt. Doch ein paar Satze bleiben: ~DGibt es in
Armenien mehr Humor als anderswo?" - ~DIm Prinzip ja. Wir haben ihn
aber auch bitter notig."
From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress
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8 nov 2012
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Armenien
08.11.2012 | 14:02 | Martin Amanshauser (Die Presse - Schaufenster)
Frage an Radio Eriwan: ~DIst es wahr, dass der Kosmonaut Juri Gagarin
eine Reise in die USA gewonnen hat?" Antwort: ~DIm Prinzip ja,
aber es war nicht der Kosmonaut Juri Gagarin, sonder ein Rentner,
und er hieß nicht Juri, sondern Oleg, und auch nicht Gagarin, sondern
Gaganoff, und es war nicht in die USA, sondern es war in Kiew, und
er hat keine Reise gewonnen, sondern ein Fahrrad, und er hat es auch
nicht gewonnen, sondern es wurde ihm gestohlen." Nach diesem Muster
funktionieren die Radio-Eriwan-Witze. Der fiktive Sender arbeitete
sich in der Sowjetepoche an den entlarvenden Parolen der Diktatur ab
und sprach so ungemutliche Wahrheiten aus. Dieser Galgenhumor passte
gut zu den Vorbehalten vieler Russen gegen die ~Dverschlagenen" -
heißt schelmischen - Kaukasusvolker.
Ein bisschen bitter sind die Armenier naturlich auch, alles gerat
ihnen dabei zum Witz. Sie haben jeden Grund dazu. Der Mord an 1,5
Millionen Armeniern zwischen dem Ersten Weltkrieg und 1923, eines
der großten Verbrechen der Menschheitsgeschichte, wird von der Turkei
weiterhin systematisch in Abrede gestellt. Personen wie dem turkischen
Nobelpreistrager Orhan Pamuk drohen, sobald sie an die Fakten erinnern,
Gerichtsverfahren: ~DBeleidigung des Turkentums" hieß das bizarre
dazugehorige Gesetz. Die historische Faktenlage ist unbestritten,
auch den Zeitgenossen war der Volkermord bewusst. ~DWer redet heute
noch von der Vernichtung der Armenier?", lautete Hitlers rhetorische
Frage im Sommer 1939.
Die Trauer wird von einem beklemmenden Mahnmal begleitet, der
Schwalbenfestung (Tsitsernakaberd) am Rande von Jerevan: ein 44 Meter
hoher Obelisk, zwolf Saulen, ein ewiges Feuer, ein Museum. Jeden
24. April wird ein Blumenmeer niedergelegt. Doch die Armenier sind
nicht melancholisch, eher wirken sie nachdenklich - und sie lieben
ihr Cafe. Dort debattieren sie gern daruber, wieso gerade in Armenien
keine postkommunistische Revolution zustande kam. Gangige Begrundung:
~DWeil sich die Demonstranten gleich ins Cafe zuruckgezogen hatten,
um die Geschehnisse zu debattieren."
Lange schon gehen keine neuen Radio-Eriwan-Witze durch die Welt,
die Sowjetunion ist untergegangen, und der Humor wirkt auch schon
ein bisschen verstaubt. Doch ein paar Satze bleiben: ~DGibt es in
Armenien mehr Humor als anderswo?" - ~DIm Prinzip ja. Wir haben ihn
aber auch bitter notig."
From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress